Dr. Katarina Braune, Prof. Dr. Lutz Heinemann

Innovationen im Bereich der Digitalisierung/Diabetes-Technologie

Die Diabetes-Technologie hat sich in den letzten Jahren sprunghaft weiterentwickelt. Immer mehr Systeme werden digital nutzbar. Welche gibt es und was ist zu erwarten? Was bedeutet es, wenn dadurch immer mehr Daten für Anwendende und Diabetes-Teams verfügbar sind? Hier ein Überblick.

Die Bedeutung von Technologien als Komponente des Diabetes-Managements ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen, um aktuell in der Verfügbarkeit von verschiedenen Systemen zur automatisierten Insulin-­Dosierung (AID) und der digitalen und telemedizinischen Betreuung von Menschen mit Diabetes (MmD) ein gewisses Pla­teau zu finden. Während AID-Systeme insbesondere von Menschen mit einem Typ-1-Dia­betes (T1D) genutzt werden, kommt die virtuelle Diabetes-Betreuung, z. B. zwischen den Visiten in Präsenz, auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes (T2D) zum Einsatz. Diese Entwicklung passt insgesamt zu der weitreichenden Digitalisierung unseres gesamten Verhaltens- und Kommunikationsverhaltens und der extensiven Nutzung digitaler Services in sämtlichen Lebensbereichen. In der Dia­bet­ologie führte dies – beschleunigt durch die COVID-19-Pandemie – zu einem weitreichenden Einsatz von Telemedizin bei der Schulung von MmD und ihren Angehörigen, ambulanten Sprechstunden sowie der Kommunika­tion von Diabetes-Teams und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern untereinander. Selbst wenn das Pendel wieder etwas zurückschwingen sollte und wir langfristig ein funktionales Konzept zum Umgang mit der Pandemie gefunden haben, wird diese Nutzung von technologischen Optionen eine essenzielle Komponente bei der Betreuung von MmD bleiben. Dies wiederum wird die Entwicklungs-Geschwindigkeit digitaler Innovationen weiter vorantreiben, auch weil mehr finanzielle Anreize dafür vorhanden sind, z. B. durch die Kostenerstattung für telemedizinische Kontakte und die Anwendung von Apps im Zusammenhang mit DiGAs.

Digitale Ökosysteme

Es gibt quasi ständig Innovationen im Bereich der Digitalisierung und Diabetes-Technologie (DT), wobei diese beiden Themenfelder sehr eng zusammenhängen: die Medizinprodukte, die bei der Betreuung von MmD eingesetzt werden, generieren eine Vielzahl kompletter Daten, die von spezialisierter Soft- und Hardware erfasst, dokumentiert, analysiert, dargestellt und interpretiert werden können. Der Aufbau von solchen „Diabetes-Ökosystemen“, die die Daten verschiedener Systeme aggregieren, ist in vollem Gange, deren Implementierung in den Alltag in Kliniken und Praxen ist aber oft noch in frühen Ansätzen. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren dazu führen, das MmD (und ihre Angehörigen, z. B. Eltern) eine kontinuierliche und bedarfsgerechte Unterstützung im Diabetes-­Management erfahren, die möglicherweise sogar teils automatisiert erfolgt. Dies wird nicht nur dazu führen, die Beratungsqualität in klinischen Settings zu erhöhen und damit die zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten von MmD effektiver, sicherer und effizienter zu machen – für die MmD und ihre Familien werden auch die psychische und körperliche Beeinträchtigung durch den Diabetes reduziert und ihre Lebensqualität verbessert. Durch die Therapie-Optimierung können Glukoseverläufe stabilisiert werden, was die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von schweren Hypoglykämien und Ketoazidosen reduziert sowie das Risiko für das Auftreten von langfristigen Komplikationen.

Der zunehmende Einsatz von Diabetes-Technologie hat allerdings neben diversen Vorteilen auch Schattenseiten, wie hohe Materialkosten und der aus dem medizinischen Versorgungsmaterial anfallende Müll. Diese erhebliche Menge an Plastik- und Sondermüll wird durch die Produkte selbst verursacht, die nach ihrer Nutzung geeignet entsorgt werden müssen, wie auch durch deren Verpackung. In Anbetracht des Klimawandels gewinnen Aspekte, die unter dem Begriff „Grüne Diabetologie“ subsumiert werden können, zunehmend an Relevanz. Es sind auch insbesondere die MmD selbst, die sich bei einer bewussten Lebensweise an diesen aktuell schwer verhinderbaren Müllbergen stören. Neue europäische Richtlinien zur Reduktion von Plastikmüll werden den Druck hin zum Etablieren nachhaltiger Produkte und Verpackungsmethoden auch in der Medizin­branche weiter verstärken. Innovationen im Bereich der Diabetes-Technologie – wie auch der Stromverbrauch bei digitalen Anwendungen – werden sich in Zukunft mehr auch an ihrem „ökologischen Fußabdruck“ messen lassen müssen. Wenn MmD – und auch die Diabetes-Teams – sich bei der Auswahl der Medizinprodukte zunehmend auch an Nachhaltigkeitsaspekten orientieren, dann werden die Hersteller und regulatorische Instanzen diesen auch mehr Aufmerksamkeit widmen – wobei einige davon, insbesondere aus Europa, sich heute schon aktiv bezüglich des Umweltschutzes positionieren.

Vielfach verwendete Fachbegriffe und Abkürzungen im Zusammenhang mit AID-Systemen

Steigende Material­kosten, erhebliche ­Mengen an ­Plastik- und Sondermüll und ­steigende Kosten sind ­Nachteile neuer Diabetes-­Technologien.

Gerade im Bereich von digitalen Innovationen verwenden viele Hersteller auch eine Sprache und Begrifflichkeiten zur Beschreibung der Produkt-Eigenschaften („Revolution“), die Erwartungen und Vorstellungen wecken, die sich im realen Praxisalltag nicht entsprechend wiederfinden. In Anbetracht der recht beachtlichen Kosten, die mit dem Einsatz solcher Produkte verbunden sind, wobei es für einige davon nur eine geringe Evidenzlage gibt, ist die kritische Haltung der Kostenträger nachvollziehbar. Damit keine unrealistische Erwartungshaltung bei MmD und den Mitgliedern der Diabetes-Teams geweckt wird, gilt es, eine kritische, aber sehr wohl auch konstruktive und patientennahe Haltung bei „Innovationen“ zu haben und zu bewahren.

Systeme zur automatisierten ­Insulin-Dosierung

Stand der Dinge: Nachdem zunächst Medtronic für das AID-System MiniMed 670G zuerst als einziges eine Zulassung erhielt und die Kostenübernahme gesichert war, gibt es inzwischen deutlich mehr Optionen für in der DACH-Region zugelassene AID-Systeme. Das französische Unternehmen ­Diabeloop erhielt 2018 ein CE-Kennzeichen für seinen DBLG1-Algorithmus, welcher nun mit der Insulinpumpe Accu-­Chek Insight von Roche Diabetes Care und dem Dexcom-­G6-System in Deutschland für Erwachsene verschreibungsfähig ist. Nachdem Med­tronic für eine kurze Zeit das System ­MiniMed 770G (mit dem in der ­MiniMed 670G verwandten Algorithmus, aber mit Blue­tooth statt 2.4-GHz-Verbindung) auf dem deutschen Markt hatte, ist auch hier nun das weiterentwickelte System MiniMed 780G mit einem neuen Algorithmus und flexibleren Glukose-Zielbereichen verfügbar, welches z. B. zusätzlich zur Modulation der Basalrate automatisch Korrektur-Boli abgibt, die durch einen Fuzzy-­Logic-Algorithmus berechnet werden. Das System ­MiniMed 790G, welches den prandialen Insulinbedarf als Fully-Closed-­Loop-System automatisch abdecken soll, ist der nächste für die Zukunft geplante Schritt. Bald soll auch in Deutschland das AID-System ­Omnipod 5 auf den Markt kommen, basierend auf der Patch-Pumpe von Insulet („Omnipod Dash“) und dem CGM-System Dexcom G6.

Seit September 2021 ist das zuvor vor allem in Nordamerika beliebte AID-System Control-IQ des Unternehmens Tandem für Erwachsene und Kinder ab einem Alter von 6 Jahren und einem Körpergewicht von mindestens 25 kg auch in Deutschland verordnungsfähig. Für den praktischen Einsatz ist das Körpergewicht relevant, da in die Zulassungsstudie nur Kinder ab 25 kg eingeschlossen wurden und kein niedrigeres Gewicht eingegeben werden kann (25 kg sind für 6-Jährige die 90. Perzentile). Für MmD, die bereits eine Insulinpumpe t:slim X2 mit Basal-IQ (mit „Predictive Low Glu­cose Suspend“, PLGS) nutzen, kann das bestehende Gerät mit der neuen Software und dem AID-Algorithmus aktualisiert werden.

Fully-Closed-­Loop-Systeme sind der ­nächste für die Zukunft ­geplante Schritt.

In Kürze ist außerdem eine Zulassung des Open-Source-Systems „Loop“ in den USA zu erwarten, nachdem die App durch das von MmD und ihren Angehörigen betriebene Not-for-Profit-Unternehmen „Tidepool“ professionell weiterentwickelt und durch das Jaeb-Center in Florida in einer Real-World-Studie auf Sicherheit und Effizienz getestet wurde. Die App soll mit Dexcom-Sensoren und einer Schlauchpumpe von Medtronic sowie Omnipod-Dash-Patch-Pumpen über ­Bluetooth kompatibel sein. Ob eine Zulassung auch außerhalb der USA geplant wird, ist derzeit noch nicht bekannt.

DIY- bzw. Open-Source-AID-Systeme

Weltweit gibt es bereits seit einigen Jahren eine ausgesprochen aktive Community von MmD und ihren Familien, die Open-­Source-Systeme zur automatisierten Insulin-Abgabe selbst entwickeln („Do it yourself“, DIY). Mithilfe von online frei verfügbarem Quellcode und Anleitungen werden kommerziell verfügbare rtCGM-Systeme und Insulinpumpen mit Open-Source-Algorithmen zu (Hybrid-)AID-Systemen verbunden. Die Anwenderinnen und Anwender erstellen und nutzen Open-Source-AID-Systeme auf eigenes Risiko. Es gibt aktuell noch keine Zulassung dieser Systeme durch regulatorische Behörden, jedoch erste von regulatorischen Behörden anerkannte Studienergebnisse (z. B. aus der „Loop Observational Study“ von Tidepool) und laufende Studien (z. B. CREATE-Trial, eine randomisierte klinische Studie in Neuseeland für AndroidAPS). Aus den über die Open-Source-­Community veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten geht weiterhin hervor, dass sowohl erwachsene Nutzerinnen und Nutzer als auch Kinder und Jugendliche eine deutliche Optimierung ihrer Glukosewerte im Zielbereich und des HbA1c-Werts bei gleichzeitiger Verringerung von Hypoglykämien und Zunahme ihrer Lebens- und Schlafqualität erfahren. Zusätzlich zu den bereits etablierten Open-Source-­Systemen Loop, OpenAPS und Android­APS sind seit Kurzem die Apps „FreeAPS“ (Loop-­Algorithmus mit Mikroboli) und „FreeAPS X“ (OpenAPS-Algorithmus mit Autotune und Auto­sense als iOS-App) hinzugekommen.

Auch mit der Zulassung weiterer AID-Systeme in Deutschland und weltweit ist zu erwarten, dass Open-Source-AID-Systeme zukünftig weiter genutzt werden, um von der Flexibilität und Inter­operabilität der Open-Source-Systeme mit verschiedenen Pumpen- und Sensormodellen zu profitieren. Hier bieten kommerzielle Alternativen derzeit noch wenig Flexibilität und Zugang zu AID für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, z. B. für Kleinkinder, Schwangere, Leistungssportlerinnen/-sportler und Menschen mit Haut­reaktionen auf bestimmte Sensor- und/oder Infusionssets.

Innovative Ansätze: Einige weitere (Advanced-)Hybrid- und Fully-Closed-Loop- bzw. AID-Systeme sind kürzlich zugelassen worden bzw. in der Entwicklung und werden voraussichtlich in den nächsten Jahren auf den Markt kommen. Bei Verwendung der aktuell schon auf dem Markt befindlichen AID-Systeme – sowie denen, die in Kürze kommen werden – gilt es zu beachten, dass die MmD trotz automatisierter Insulin-Zufuhr unter „normalen Lebensbedingungen“ weiterhin aktiv Therapie-Anpassungen selbst bzw. gemeinsam mit ihrem Diabetes-­Team vornehmen müssen (z. B. durch temporär aktivierte Profile), wenn bei sportlicher Aktivität, ungewohnten Tagesabläufen oder Mahlzeiten, hormonell bedingten Schwankungen oder im Krankheitsfall der Insulinbedarf stark variiert. Unter wechselnden Bedingungen sind die AID-Systeme aktuell noch nicht voll automatisiert in der Dosisanpassung. Auch wenn die derzeitig eingesetzten AID-Systeme für viele MmD eine erhebliche Verbesserung ihrer Stoffwechsellage und Lebensqualität bedeuten, stellen diese Systeme noch keine „technische Heilung“ des Diabetes dar. Durch den Einsatz von optimierten Algorithmen und „künstlicher Intelligenz“ wie auch der Nutzung von weiteren Datenquellen wie Wearables oder anderweitig über digitale Tools erfasste Daten, z. B. über körperliche Aktivität, Körpertemperatur, Außentemperatur und Menstruationszyklus, wird eine noch genauere Anpassung der Insulinzufuhr an den individuellen aktuellen Bedarf in Zukunft noch besser möglich sein.

Bisher regulieren die aktuell verfügbaren „­Hybrid“-AID-Systeme die basale Insulinzufuhr durch engmaschige Anpassung der Basalrate und je nach System die Gabe von „Mikro­boli“, d. h. die Insulinpumpe wird für kurze Momente aktiviert und gibt damit eine kleine Insulinmenge als Bolus ab. Der prandiale Insulinbedarf wird von den MmD durch die manuelle Abgabe von Boli abgedeckt. Die nächste Genera­tion von AID-Systemen, die Fully-Closed-Loop-Systeme sein werden, soll auch den Insulinbedarf bei Mahlzeiten automatisch abdecken, ohne dass eine manuelle Bolusabgabe erforderlich sein wird. Wann und ob „bihormonelle“ Systeme auf den Markt kommen, ist momentan noch unklar. Bei diesen AID-Systemen wird nicht nur Insulin infundiert, sondern auch das konträr wirkende Glukagon. Durch Gabe dieses „Gegenspielers“ von Insulin kann bei Gabe von zu hohen Insulindosen oder zu niedrigen Glukosewerten eine drohende Hypoglykämie verhindert werden. Die ersten stabilen und zur subkutanen Applikation durch Pumpen geeigneten Glukagon-Formulierungen sind nun in Europa zugelassen und werden wohl bald auch verfügbar sein.

Was gilt es zu tun? Bei der Therapie-Umstellung auf ein AID-System verlangt dieses die Eingabe einiger Informationen zum individuellen Insulinbedarf, um adäquate „Startbedingungen“ für den Closed-Loop zu schaffen. Über die „richtigen“ Settings gibt es oft lebhafte Diskussionen. Es gilt, mit einer realistischen Erwartungshaltung an AID-Systeme heranzugehen, d. h. sowohl deren Vorteile zu sehen, aber auch deren derzeit noch bestehende Limitationen und Nachteile. Die aktuell verfügbaren AID-Systeme verlangen von den Nutzerinnen und Nutzern immer noch Interaktion mit dem System, verbunden mit einem gewissen Handhabungsaufwand. Die Nutzerinnen und Nutzer sollten – insbesondere aus Sicherheitsgründen – gewisse Vorkenntnisse bei der Nutzung von Insulinpumpen, CGM-Systemen und der Funktionsweise des genutzten AID-Algorithmus haben, um Verständnis über die vom AID-System verwandten Parameter zu entwickeln. Beispielsweise können der Physiologie entsprechende Faktoren für das Berechnen der Insulin-Sensitivität und das Abdecken von Kohlenhydraten, die Eingabe der maximalen Insulin-Wirkdauer und des Basalprofils bedeutsam für den Therapieerfolg der AID-Systeme sein.

Es gilt, mit ­einer ­realistischen Erwartungs­haltung an AID-Systeme ­heranzugehen.

Die grundlegende Bedeutung einer Diabetes-­Schulung für AID-Anwenderinnen und -Anwender wurde zunächst erheblich unterschätzt, dabei ist der Handhabungs-Aufwand bei den aktuellen AID-Systemen schon geringer als bei denen der ersten Generation. So entfällt oder reduziert sich die bisher mehrfach täglich notwendige Kalibration des CGM-Systems. Dadurch geben die Systeme deutlich weniger störende Alarme ab und es entstehen weniger „Datenlücken“ in der kontinuierlichen Glukosemessung.

Die Anzahl von Publikationen zu klinischen Studien mit AID-Systemen, aber auch die Auswertungen von Real-World-Daten sind in den letzten Jahren weiterhin angestiegen, was es herausfordernd macht, hierbei den Überblick zu behalten. Durch die Verfügbarkeit von großen Datenmengen in der Cloud (z. B. auf Servern der Hersteller von AID-Systemen) können Real-­World-Datenanalysen von vielen Nutzerinnen und Nutzern erfolgen. Auch hier zeigen sich deutliche Verbesserungen klinischer und psychosozialer Endpunkte verschiedener Patientengruppen. Ob dies bei MmD mit besonderen Therapie-Anforderungen wie Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen mit starken psychosozialen Belastungsfaktoren, schwangeren Frauen, MmD mit Begleit- und/oder Folgeerkrankungen und älteren MmD ebenfalls zutrifft, ist aktuell noch nicht hinreichend untersucht. Etablierte Patientenregister wie die Dia­betes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV), Investigator ­Initiated Trials (IIT) und Beobachtungsstudien aus der Real-World- und Off-­Label-Anwendung von AID-Systemen können hier wertvolle Hinweise liefern.

Diagnostische Optionen – ­Blutzuckermessung

Stand der Dinge: Bei der invasiven Blutglukose-­Selbstmessung (SMBG) gibt es nur wenige Weiterentwicklungen. Deshalb wird dieser Bereich, obwohl er von den globalen Nutzerzahlen her betrachtet immer noch relevant ist, wenig prio­risiert.

Innovative Ansätze: Manche Ansätze zu einer nicht invasiven Glukosemessung basieren ähnlich wie die SMBG auf Einzelmessungen, wobei deren Messgenauigkeit je nach Methode noch unzureichend bzw. unklar ist. Es gab zuletzt auch wieder Ankündigungen zu einer zukünftigen Glukosemessung mit einer neuen Generation der AppleWatch, diese haben sich aber noch nicht konkretisiert oder noch nicht Details zur Messmethode bekannt gegeben.

Was gilt es zu tun? Angesichts der hohen Nutzerzahlen weltweit, und insbesondere für MmD ohne Zugang zu CGM-Systemen, ist zu bedauern, dass die Hersteller in diesem für viele Nutzerinnen und Nutzer wichtigen Bereich nicht mehr so aktiv sind. Hier würde es vielleicht helfen, wenn die Gesundheitspolitiker sowie die Krankenversicherungen entsprechende Anreize setzen und/oder die Verfügbarkeit von CGM optimieren würden.

Diagnostische Optionen – ­kontinuierliches Glukosemonitoring

Stand der Dinge: Bei der aktuell neuesten Generation der Systeme zum kontinuierlichen Glukosemonitoring mit direkter Anzeige der Werte (Real-Time-CGM, rtCGM) ist eine Unternehmens-seitige Kalibration in den meisten Fällen nun Standard, d. h. der Nutzer muss nicht, kann (bei einigen Systemen) aber das CGM-System durch eine kapilläre Blutglukose-Messung kalibrieren. Die dritte Generation eines CGM-Systems, welches bisher einen manuellen Scan erforderte (iscCGM), d. h. eine aktive Handlung der Nutzerinnen und Nutzer, übermittelt nun Werte und Alarme in Echtzeit.

Die Nutzung von ­rtCGM-Systemen stellt den neuen Standard bei der Überwachung des Glukoseverlaufs dar.

Die etablierten Hersteller von CGM-Systemen bringen im Sinne einer evolutionären Weiterentwicklung in Intervallen neue Produkt-Genera­tionen auf den Markt. Diese neuen Genera­tionen weisen eine geringere Größe, verbesserte Benutzerfreundlichkeit und analytische Messgenauigkeit auf. Letzteres wird durch einen geringeren „MARD“-Wert (Mean Absolute Relative Diffe­rence) vermittelt. Ob sich allerdings tatsächlich die eigentliche Messtechnik signifikant verbessert oder ob nur die Algorithmen zur Ausgabe von Gewebeglukosewerten sowie die Herstellungs-Techniken optimiert werden, ist für Anwenderinnen und Anwender nicht ersichtlich. Durch das Hinzufügen von weiteren Membranen auf der Oberfläche der Nadelsensoren wurde beispielsweise eine Reduktion der Empfindlichkeit von Sensoren auf bestimmte Substanzen (z. B. gegenüber Paracetamol) bei der Weiterentwicklung des Dexcom G5 auf das System Dexcom G6 reduziert. Bei dem bisher einzigen implantierbaren CGM-System des Unternehmens Senseonics (in Deutschland erfolgt der Vertrieb durch Ascensia) gibt es Weiterentwicklungen in Hinsicht darauf, dass eine bessere Messgüte gepaart mit einer längeren Nutzungsdauer erreicht wird. Insgesamt betrachtet stellt die Nutzung von rtCGM-Systemen den neuen Standard beim Überwachen des Glukose­verlaufs dar.

Innovative Ansätze: Bisher wird der Markt von CGM-Systemen von „minimalinvasiven“ Sensoren dominiert, d. h. hier erfolgt die Glukosemessung durch enzymatische Sensoren, die ins Unterhautfettgewebe eingeschoben werden. Es sind seit einer Reihe von Jahren neuartige Ansätze in der Entwicklung, die helfen, die Nachteile der bisherigen CGM-Systeme zu vermeiden.

Die Datenmengen, die beim Nutzen von CGM-Systemen anfallen, werden durch entsprechende Software-Programme erfasst, dokumentiert, analysiert und interpretiert. Der Zugang zu den Daten ist dabei außerhalb der Hersteller-eigenen Plattformen oft schwierig und stellt eine Herausforderung für z. B. große Kliniken und deren Datenschutz-Richtlinien dar. Dabei haben sich bestimmte Darstellungsformen, wie das ambulante Glukose-Profil (AGP), etabliert, d. h. die Daten werden von den Programmen der verschiedenen Hersteller zunehmend in dieser Form dargestellt. Diese Standardisierung hilft den Nutzerinnen und Nutzern und Diabetes-Teams bei der raschen Beurteilung des individuellen Glukoseverlaufs.

Wenige konkrete Fortschritte gibt es in der Entwicklung nicht invasiver Methoden zum Glukosemonitoring zu berichten, d. h. Produkte, die auf Messprinzipien beruhen, die nicht mehr mit einem Durchstechen der Haut verbunden sind. Es gibt noch keine unter Alltagsbedingungen zuverlässig messenden Produkte auf dem Markt und in der Anwendung in der klinischen Praxis, auch wenn einige bereits eine CE-Kennzeichnung erhalten haben.

Hautreaktionen durch CGM-Systeme

Anscheinend ist die Problematik von Hautreak­tionen bei der Nutzung von CGM-Systemen weniger geworden, auch wenn es durch Umstellungen beim Pflaster eines weithin genutzten rtCGM-Systems wieder zu mehr entsprechenden Berichten gekommen ist. Leider gibt es wenige aktuelle und gute Untersuchungen zur Häufigkeit von Hautreaktionen bei den verschiedenen CGM-Systemen.

Es gibt weniger ­Hautreaktionen bei der Nutzung von ­CGM-Systemen.

Durch das Vermeiden von bestimmten Substanzen auch in den Kunststoffgehäusen der Sensoren ist diese positive Entwicklung unterstützt worden. Zur klinischen Beurteilung von Hautreaktionen hat die Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie (AGDT) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) eine Checkliste entwickelt (siehe www.diabetes-technologie.de).

Was gilt es zu tun? Es ist leider immer noch nicht gelungen, einen Standard für die Beurteilung der analytischen Leistungsfähigkeit von CGM-Systemen zu etablieren, auch gerade bei niedrigen Glukosewerten. Eine internationale Arbeitsgruppe von Expertinnen und Experten hat hier aber erste Schritte getan. Durch Einführen einer „i“-Markierung hat die amerikanische Gesundheitsbehörde (Food and Drug Admi­nis­tra­tion, FDA) einen wichtigen Schritt in Richtung Standardisierung getan; sie hat unter anderem konkrete Vorgaben für die Messgüte gemacht, die ein solches System erfüllen muss.

In der klinischen Praxis hat sich zunehmend die Time in Range (TIR) als Parameter für die klinische Beurteilung der Glukosekontrolle etabliert. Dabei sollte dieser Parameter im Zusammenhang mit der Zeit unterhalb des Zielbereichs und dem HbA1c-Wert genutzt werden, da diese unterschiedliche Aussagen ermöglichen und sich im Sinne einer Risikoabschätzung für MmD ergänzen.

CGM in Krankenhäusern

Während der COVID-19-Pandemie sind in den USA die regulatorischen Vorgaben für den Einsatz von CGM-Systemen im Krankenhaus deutlich gelockert worden. Dort dürfen diese nun zur Verlaufskontrolle bei MmD in stationärer Behandlung eingesetzt werden. Dies reduziert nicht nur den Aufwand für das Pflegepersonal bezüglich des Glukosemonitorings wesentlich, sofern das Personal in der praktischen Anwendung von CGM-Systemen geschult ist. In Deutschland dürfen nur qualitätsgesicherte Methoden zum Glukosemessen in Krankenhäusern eingesetzt werden. Dies ist bisher nur bei kapillärer Blutglukosemessung gegeben und nicht durch kontinuierliches Glukosemonitoring durch CGM-Sensoren. Da aber auch MmD mit CGM-Systemen stationär aufgenommen werden und diese sie weiter nutzen möchten, führt dies in der täglichen Praxis zunehmend zu Konflikten. Dabei machen die Vorteile, die CGM-Systeme für die stationäre Behandlung von akut erkrankten Patientinnen und Patienten aufweisen, deren Einsatz auch in diesem Bereich aus klinischen, praktischen sowie wissenschaftlichen Gründen sinnvoll.

Therapeutische Optionen – Pens/Smart-Pens

Stand der Dinge: Die meisten MmD verwenden heute Pens für die Insulin-Injektion, allerdings waren diese in der Vergangenheit noch nicht „smart“, d. h. es gab keine digitale Logfunk­tion und die Möglichkeit der Übertragung dieser Daten an z. B. eine App. Angaben zur Insulin-Dosis, Insulin-Art und zum Injektions-Zeitpunkt mussten mit herkömmlichen Pens immer noch manuell erfasst werden und wurden oft lückenhaft dokumentiert. Nachdem nun die ersten Smart-Pens von den großen Insulin-Herstellern (Novo Nordisk, Lilly und Sanofi) sowie einem Hersteller von CGM-Systemen und Insulinpumpen (Medtronic) auf dem Markt sind bzw. in Kürze kommen werden, hat sich dies geändert. Im Zusammenhang mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) hat ein eher kleiner deutscher Anbieter (Emperra) – als erste App überhaupt – eine entsprechende Zulassung für seinen Smart-Pen bekommen. Die technologischen Lösungen reichen von aufsetzbaren Kappen und Clips für Einmalpens bis zu wiederverwendbaren Pens mit fest eingebauter Konnektivität.

Innovative Ansätze: Das Zusammenführen der Glukosedaten von Blutzucker-Messgeräten und CGM-Systemen mit Angaben zur Insulin-Therapie durch die Smart-Pens mit einer passenden Software ermöglicht eine bessere Übersicht über die Diabetes-Therapie. Dies hilft auch beim Erkennen von Optimierungs-Potenzialen durch Dosierungs-Vorschläge für die Nutzerinnen und Nutzer.

Was gilt es zu tun? Die Bedeutung dieser Entwicklung ist als besonders fortschrittlich anzusehen und hilft hoffentlich vielen Patientinnen und Patienten bei einer kontinuierlichen Dokumentation und nachhaltigen Optimierung ihrer Therapien. Es gibt allerdings bisher nur wenige wissenschaftliche Publikationen zu Smart-Pens, d. h. es gibt auch nur wenige Belege zu den Vorteilen von Smart-Pens durch geeignet angelegte klinische Studien mit einem direkt vergleichenden Studien-Design zu konventionellen Pens oder Einmalspritzen.

Therapeutische Optionen – ­Insulinpumpen/Patch-Pumpen

Stand der Dinge: Insbesondere viele jüngere Menschen mit T1D verwenden Insulinpumpen für das Durchführen der Insulin-Therapie. Manche der verfügbaren Pumpen ermöglichen eine Konnektivität mit CGM-Systemen. Neben den bereits in der DACH-Region etablierten Herstellern (Medtronic und Roche Dia­be­tes Care) gewinnen andere US-Unternehmen wie Tandem und Insulet zunehmend Markt-Anteile in Deutschland. Es ist interessant zu sehen, welche Verschiebungen es auf dem Insulinpumpen-Markt in den letzten Jahren gegeben hat, wohl insbesondere davon getrieben, dass diese Unternehmen für viele MmD attraktive Pumpen-Modelle anbieten, wie Patch-Pumpen oder Pumpen in moderner, Smartphone-ähnlicher Optik mit Touchscreen und Farbdisplay. Bei Patch-Pumpen sind Infusionsset und Reservoir direkt integriert, sie haben damit keinen sichtbaren Schlauch und sie sind insgesamt deutlich kleiner als eine Schlauchpumpe.

Insbesondere ­viele ­jüngere Menschen mit T1D verwenden ­Insulinpumpen.

Dass Insulinpumpen einfach in der Anwendung sowie diskreter sind und nicht nach einem Medizinprodukt aussehen, sind wichtige Faktoren für viele MmD, insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene. Bisher war mit dem Omnipod nur ein Patch-Pumpen-Modell in Deutschland verfügbar. Aktuell steht mit der Accu-Chek Solo eine weitere Patch-Pumpe zur Verfügung und weitere werden bald auf den Markt kommen. Die Nutzer von Patch-Pumpen sind vielfach auch MmD mit einem Typ-2-Diabetes (T2D), wobei aktuell noch nicht klar ist, wie es mit der Kosten-­Übernahme bei den verschiedenen Pumpen aussieht.

Innovative Ansätze: Es sind einige weitere Patch-Pumpen-Modelle in der klinischen Entwicklung, wobei noch nicht klar ist, wann diese wirklich auf den Markt kommen. Entsprechende Ankündigungen gab es in der Vergangenheit vielfach, ohne dass es dazu kam. Solche neuen Pumpen verwenden möglicherweise auch höher konzentrierte Insulin-Formulierungen, was die Konstruktion von kompakter ausgebildeten Insulin-Reservoirs ermöglicht, wodurch auch MmD mit einem hohen Insulin-Bedarf diese Pumpen über mehrere Tage hinweg nutzen können. Dabei wird es auch Patch-Pumpen geben, die ausgesprochen einfach in der Bedienung sowie relativ klein und leicht sind, was den Bedürfnissen vieler MmD entgegenkommt.

Was gilt es zu tun? Bisher gibt es zur Nutzung von Patch-Pumpen eher wenige klinische Studien mit einem guten Studien-Design und wissenschaftliche Publikationen, d. h. es gibt wenig Evidenz. Aktuelle Untersuchungen – unter Anwendung der entsprechenden Norm – weisen darauf hin, dass es Unterschiede in der Abgabe-Genauigkeit des Insulins zwischen Patch-Pumpen gibt; zu der klinischen Bedeutung davon gibt es eine lebhafte Diskussion. Auch bei Patch-Pumpen sind Hautirritationen ein Thema, welches in geeigneten Evaluierungen untersucht werden sollte.

Therapeutische Optionen – ­Insulin-Infusionssets

Stand der Dinge: Insulin-Infusionssets (IIS) stellen immer noch einen potenziellen Schwachpunkt bei der Insulinpumpen-Therapie dar. Manche MmD können ein IIS mit unveränderter Insulin-Wirksamkeit über einige Tage hinweg liegen lassen, andere müssen es öfter und mitunter täglich wechseln, um zufriedenstellende Ergebnisse zu erhalten. Ein großer Hersteller (Medtronic) hat nun ein IIS auf den Markt gebracht, welches bei (vielen) MmD offiziell über eine Tragedauer von 7 Tagen hinweg genutzt werden kann.

IIS stellen immer noch einen potenziellen Schwachpunkt dar.

Innovative Ansätze: Es gibt weitere Unternehmen/Start-ups, die an der Entwicklung von IIS arbeiten, die über einige Tage hinaus gut funktionieren. Idealerweise sind solche IIS so lange nutzbar wie Glukosesensoren von CGM-Systemen, also z. B. 10 Tage. Dies wäre ein deutlicher Fortschritt, der auch zu einer Verringerung des Therapie-Aufwands für MmD und einer Reduktion der nicht unerheblichen Kosten und Abfallmenge für IIS beitragen könnte.

Von verschiedenen Ansätzen, das Insulin durch „Microneedles“ direkt in die oberen Hautschichten zu applizieren, hat noch keiner Marktreife erreicht. Dies gilt auch für die „Smart-Insuline“, die als Depot in das subkutane Gewebe appliziert werden und dort entsprechend der vorherrschenden Glukose-Konzentration freigesetzt werden.

Was gilt es zu tun? Es fehlen derzeit noch Studien mit IIS, um die verschiedenen genannten Fragestellungen zu klären. Unklar ist hierbei die Möglichkeit der unabhängigen Finanzierung solcher Studien. Interessant wäre auch, zu untersuchen, warum es erhebliche interindividuelle Unterschiede in der Nutzungs-Dauer und Insulin-Wirkung in Abhängigkeit davon zwischen MmD gibt.

Elektronische Patientenakten (ePA und eDA)

Stand der Dinge: In Deutschland wurde mit Stichdatum 1.1.2021 eine elektronische Patientenakte (ePA) eingeführt. Dabei ist die Anzahl von Funktionalitäten, die damit verknüpft sind, noch recht überschaubar. Es gilt, abzuwarten, wie sich die ePA in der Praxis etablieren wird. Die DDG arbeitet an der Entwicklung einer Dia­betes-spezifischen Ergänzung (elektronische Diabetesakte, eDA). Darin sollen relevante Daten von möglichst allen MmD erfasst werden.

Innovative Ansätze: In den USA und einigen europäischen Ländern sind elektronische Patientenakten bereits Teil des Behandlungs-Alltags; entsprechend gibt es regelmäßig Publikationen zu Auswertungen der gesammelten Daten. In Deutschland werden die Daten von Hunderttausenden MmD in den Disease-Management-Programmen (DMPs) zwar im großen Stil erfasst, aus Datenschutz-Gründen gibt es aber bislang nur wenige Auswertungen und Veröffentlichungen dazu. In einem Register, in dem vorrangig Daten von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes sowie Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes gesammelt werden (DPV), wird eine Vielzahl von Diabetes-bezogenen Daten und weiteren Angaben erfasst. Die weitreichende Analyse dieser Daten gepaart mit hoher Publikations-Aktivität verdeutlicht die wissenschaftliche und politische Relevanz solcher Datenbanken.

Was gilt es zu tun? Wenn die eDA sich etabliert und in der Praxis durchsetzt, kann die Auswertung der in dieser Datenbank aggregierten Daten eine Vielzahl an relevanten Erkenntnissen liefern.

Digitalisierung/Telemedizin

Stand der Dinge: Bei der Behandlung von MmD werden große Mengen an Daten generiert; Dia­betes wird deshalb auch als „Daten-Management-Erkrankung“ bezeichnet. Es gibt nun verschiedene Ansätze, durch eine smarte Analyse dieser Daten sowohl die Behandlungs-Teams (Clinical Decision Support Systems, CDSS) wie auch die MmD (Patient Decision Support Systems, PDSS) bei der praktischen Durchführung der Diabetes-Therapie zu unterstützen. Neben den Diabetes-Daten werden dabei zunehmend auch andere medizinische Parameter (wie Körpergewicht, Temperatur etc.) und Angaben zum Verhalten der Person dokumentiert (wie Nahrungs-Aufnahme, körperliche Aktivität und Einnahme anderer Medikamente). Dabei kann die Daten-Erfassung teils automatisch und ohne aktives Zutun der MmD oder der Behandlungs-Teams erfolgen, d. h. die automatisch geloggten Daten werden in die Cloud hochgeladen, an entsprechenden sicheren Orten verschlüsselt und gespeichert und in Zukunft mit Algorithmen durch künstliche Intelligenz (KI) analysiert. Anpassungen der Diabetes-Therapie – insbesondere bei Menschen mit T2D – würden enorm durch das Nutzen solcher digitalen Tools verbessert.

Die MmD können je nach Behandlungs-Setting bei der virtuellen Diabetes-Betreuung seltener persönlich in die Praxis oder Ambulanz kommen. Bei den Terminen werden die entsprechend aufbereiten Daten der MmD gemeinsam mit dem jeweiligen Diabetes-Team besprochen und die Therapieziele und -anpassungen gemeinsam festgelegt. Der Veränderungs-Druck in Richtung einer virtuellen Diabetes-Betreuung ist aus verschiedenen Gründen hoch: Es gibt zunehmend weniger spezialisierte Diabetologinnen und Diabetologen, durch die gleichzeitig steigende Zahl von Patientinnen und Patienten gibt es die Notwendigkeit, mehr MmD in kürzerer Zeit zu behandeln. Durch den Einsatz digitaler Visiten soll u. a. verhindert werden, dass die Diabetes-Therapie zu spät oder nicht adäquat angepasst wird (Clinical Inertia). Diese Entwicklung führt zu einer Veränderung der Arzt-Patienten-Beziehung in Richtung einer bedarfsgerechten, Patienten-zentrierteren Dynamik, insbesondere, wenn Kontakte häufiger und in den Momenten „on demand“ erfolgen können, wenn die MmD sie benötigen.

Innovative Ansätze: Durch die COVID-19-Pandemie wurde die Bedeutung einer guten und schnell verfügbaren telemedizinischen Betreuungs-Möglichkeit von MmD eklatant. Durch das Wegfallen langer Anfahrtswege, Wartezeiten und der Umorganisation des Berufs- und Familien-Alltags war während der Lockdowns eine solche Betreuung oft die einzige Option für eine ausreichende Betreuungs-Intensität unter Minimierung des Infektions-Risikos für die der Risikogruppe angehörenden MmD. Die massiven Aktivitäten von großen Hardware- und Software-Konzernen in diesem Bereich verdeutlichen gleichzeitig, dass Telemedizin in Zukunft auch unabhängig vom Pandemie-Geschehen noch stärker eingesetzt werden kann. Insbesondere für Berufstätige, Familien mit Kindern, MmD in medizinisch unterversorgten ländlichen Gebieten, ältere und in ihrer Mobilität eingeschränkte MmD stellt dies eine attraktive ­Option dar. Entsprechende Änderungen bei gesetzlichen Regelungen hat es schon gegeben, dabei gilt es, die Honorierung telemedizinischer Versorgungsformen entsprechend nachzuziehen.

Es kann erreicht ­werden, dass Patientinnen und Patienten und deren ­individuelle Bedürfnisse im Vordergrund stehen.

Was gilt es zu tun? Kein Behandlungsteam kann die Menge an Daten, die bei jedem einzelnen MmD täglich anfallen, „live“ überblicken und bei Bedarf intervenieren – im Gegensatz zu gut informierten und geschulten MmD und ihren Familien. Durch den Einsatz von passenden Analyse-Systemen, die konkrete Handlungs-Empfehlungen geben, ist es nun möglich, MmD mit adäquater Eigenverantwortung, unterstützt durch digitale Tools und fachspezifischen Rat medizinischer Expertinnen und Experten besser und sicherer zu betreuen. Allerdings gibt es bisher kaum Evidenz für diese Ansätze aus geeignet angelegten klinischen Studien. Bei der Entwicklung solcher Ansätze sollten die entsprechenden Fachgesellschaften, medizinische Expertinnen und Experten sowie Patientinnen und Patienten frühzeitig involviert werden. Dadurch kann erreicht werden, dass Patientinnen und Patienten und deren individuelle Bedürfnisse im Vordergrund stehen.

Zukunft

Die Nutzung von aktuell verfügbaren Medizin-­Produkten für die Diabetes-Therapie gepaart mit digitalen Tools zur Dokumentation und Kommunikation eröffnet neue Optionen für das Diabetes-Management von Menschen mit sämtlichen Diabetes-Formen. Integrierte Versorgungs-Konzepte mit individuellen Behandlungs-Konzepten und virtuellen Sprechstunden zwischen herkömmlichen Arztbesuchen machen eine (teil-)automatisierte und bedarfsgerechte Optimierung der Therapie bereits jetzt möglich. Insgesamt betrachtet wird die Diabetes-Therapie dadurch Patienten-zentrierter, effizienter und Anwender-freundlicher.

Eine Reihe von neuen Ansätzen wird auch beim kontinuierlichen Monitoring von Ketonkörpern (Continuous Ketone Montoring, CKM) verfolgt, was eine wichtige Sicherheits-Option für einige MmD wäre, die ein höheres Risiko haben, eine Ketoazidose zu entwickeln, z. B. für Kleinkinder, Jugendliche bei akuten Erkrankungen oder assoziiert mit der Einnahme von Medikamenten (z. B. SGLT-2-Inhibitoren). Großes Optimierungs-Potenzial würden Systeme zur zuverlässigen Bestimmung des Kohlenhydrat-­Gehalts von Mahlzeiten darstellen. Dabei stehen wir noch am Beginn dieser zukunftsweisenden Entwicklungen. Die Diabetologie ist bei neuen technischen Entwicklungen – getrieben von der Gesundheitspolitik, Fachexpertinnen und -experten und Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen – federführend bei diesen Entwicklungen.


Literatur AID-Systeme:

  1. Braune K, Lal RA, Petruželková L, Scheiner G, Winterdijk P, Schmidt S, Raimond L, Hood KK, Riddell MC, Skinner TC, Raile K, Hussain S; OPEN International Healthcare Professional Network and OPEN Legal Advisory Group: Open-source automated insulin delivery: international consensus statement and practical guidance for health-care professionals. Lancet Diabetes Endocrinol 2021 Nov 12: S2213-8587(21)00267-9 [Epub ahead of print]
  2. Knoll C, Peacock S, Wäldchen M, Cooper D, Aulakh SK, Raile K, Hussain S, Braune K: Real-world evidence on clinical outcomes of people with ­type 1 diabetes using open-source and commer­cial automated insulin dosing systems: a systematic review. Diabet Med 2021 Nov 12: e14741 [Epub ahead of print]Lum JW, Bailey RJ, Barnes-Lomen V, Naranjo D, Hood KK, Lal RA, Arbiter B, Brown AS, DeSalvo DJ, Pettus J, Calhoun P, Beck RW: A real-­world prospective study of the safety and effectiveness of the loop open source automated insulin delivery system. Diabetes Technol Ther 2021; 23: 367 – 375
  3. Lum JW, Bailey RJ, Barnes-Lomen V, Naranjo D, Hood KK, Lal RA, Arbiter B, Brown AS, DeSalvo DJ, Pettus J, Calhoun P, Beck RW: A real-­world prospective study of the safety and effectiveness of the loop open source automated insulin delivery system. Diabetes Technol Ther 2021; 23: 367 – 375

Literatur Insulin-Infusionssets:

  1. Lal RA, Hsu L, Zhang J, Schøndorff PK, Heschel M, Buckingham B: Longevity of the novel ­ConvaTec infusion set with Lantern technology. Diabetes Obes Metab 2021; 23: 1973 – 1977

Literatur CGM:

  1. Battelino T, Danne T, Bergenstal RM, Amiel SA, Beck R, Biester T, Bosi E, Buckingham BA, Cefalu WT, Close KL, Cobelli C, Dassau E, DeVries JH, Donaghue KC, Dovc K, Doyle FJ 3rd, Garg S, Grunberger G, Heller S, Heinemann L, Hirsch IB, Hovorka R, Jia W, Kordonouri O, Kovatchev B, Kowalski A, Laffel L, Levine B, Mayorov A, ­Mathieu C, Murphy HR, Nimri R, Nørgaard K, Parkin CG, Renard E, Rodbard D, Saboo B, Schatz D, Stoner K, Urakami T, Weinzimer SA, Phillip M: Clinical targets for continuous glucose monitoring data interpretation: recommendations from the International Consensus on Time in Range. Diabetes Care 2019; 42: 1593 – 1603

Literatur Patch-Pumpen:

  1. Carlson AL, Huyett LM, Jantz J, Chang A, ­Vienneau T, Ly TT: Improved glycemic control in 3,592 adults with type 2 diabetes mellitus ini­tiat­ing a tubeless insulin management system. Diabetes Res Clin Pract 2021; 174: 108735
  2. Danne T, Schwandt A, Biester T, Heidtmann B, Rami-­Merhar B, Haberland H, Müther S, Khodaverdi S, Haak T, Holl RW; DPV Initiative: Long-term study of tubeless insulin pump therapy compared to multiple daily injections in youth ­with type 1 diabetes: data from the German/Austrian DPV registry. Pediatr Diabetes 2018; 19: 979 – 984

Literatur Telemedizin:

  1. Crossen S, Raymond J, Neinstein A: Top 10 tips for successfully implementing a diabetes telehealth program. Diabetes Technol Ther 2020; 22: 920 – 928
  2. von Sengbusch S, Eisemann N, Mueller-Godeffroy E, Lange K, Doerdelmann J, Erdem A, Menrath I, Bokelmann J, Krasmann M, Kaczmarczyk P, Bertram B, Hiort O, Katalinic A, Frielitz FS: Out­comes of monthly video consultations as an add-on to regular care for children with type 1 diabetes: a 6-month quasi-randomized clinical trial followed by an extension phase. Pediatr Diabetes 2020; 21: 1502 – 1515

Autoren:

Dr. Katarina Braune
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin

Prof. Dr. rer. nat. Lutz Heinemann
Science-Consulting in Diabetes GmbH, Geranienweg 7a, 41564 Kaarst