Dr. Markus Leyck Dieken

Einheitliche Sprache für digitale Medizin – bessere Versorgung

Der Austausch von Patientendaten ist die Basis für eine gute medizinische Versorgung, vor allem über Sektorengrenzen hinweg. Doch obwohl die meisten Daten heute bereits digital erfasst und bearbeitet werden, erfolgt ihre Übermittlung häufig noch auf Papier – die Systeme können untereinander nicht kommunizieren. Was es braucht: einen nahtlosen Daten­austausch mittels einheitlicher Standards, kurz: Interoperabilität. Dafür sorgen die gematik und die Telematikinfrastruktur (TI).

Von der elektronischen Patientenakte über das e-Rezept bis zum TI-Messenger: In die Digitalisierung, vor allem aber die digitale Vernetzung des deutschen Gesundheitswesens, kommt zunehmend Bewegung. Denn immer mehr Heilberuflerinnen und Heilberufler und Akteure im Gesundheitssektor werden an die Telematikinfrastruktur, kurz: TI, angeschlossen und nutzen die damit verbundenen Dienste und Anwendungen. In der TI wird sichergestellt, dass alle Teilnehmenden reibungslos miteinander kommunizieren und wichtige Patientendaten austauschen können – digital und papierlos. Die Voraussetzung dafür ist die Interoperabilität, also der verlustfreie und nahtlose Datenaustausch auf Basis einheitlicher Standards und Schnittstellen. Das Ziel ist klar: eine noch bessere medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten.

Die Infrastruktur für das digitale ­Gesundheitswesen

Bei der Telematikinfrastruktur handelt es sich um ein geschlossenes Netz im Gesundheitswesen, in dem nur registrierte Nutzerinnen und Nutzer untereinander Informationen austauschen können – selbstverständlich verschlüsselt und sicher, da es sich um sensible medizinische Daten handelt. Zu den Teilnehmenden in der TI gehören neben Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten auch Krankenhäuser, Apotheken und Kassenärztliche Vereinigungen sowie perspektivisch auch Pflege- und Rehaeinrichtungen, Physiotherapeuten, Hebammen, Krankenkassen und Behörden. All diese Gruppen wurden bzw. werden stufenweise an die TI angeschlossen.

Der Anschluss an die TI ist wiederum Voraussetzung dafür, dass Versicherte und Leistungserbringer von modernen digitalen Lösungen im Gesundheitssektor Gebrauch machen können, die auf der Verfügbarkeit, Sicherheit und Inter­operabilität der TI beruhen. Dazu zählen eine ganze Reihe zukunftsweisender Dienste und Anwendungen, zum Beispiel:

  • Notfalldatensatz: Auf der elektronischen Gesundheitskarte können Versicherte freiwillig ihre Notfalldaten speichern lassen, die im Notfall ausgelesen werden können. So sehen beispielsweise Ärzte in der Notaufnahme sofort, wenn Vorerkrankungen oder Allergien bestehen, welche Medikamente regelmäßig eingenommen werden, aber auch Notfallkontakte und Kontaktdaten der behandelnden Ärzte.
  • Elektronischer Medikationsplan: Ebenfalls auf der Gesundheitskarte können die Medikationsdaten gespeichert werden. Der behandelnde Arzt oder Apotheker erhält damit einen Überblick, welche Medikamente der Patient aktuell einnimmt. Das erhöht die Arzneimittel-Therapie­sicherheit, denn das Risiko unerwünschter Wechselwirkungen von Arzneimitteln sowie von Fehl- und Doppelverordnungen wird reduziert.
  • Kommunikation im Gesundheitswesen (KIM): Mit KIM können die angeschlossenen Teilnehmenden sich untereinander E-Mails sicher schicken, etwa Befunde oder Abrechnungen. Briefe und Faxe zwischen Ärzten, Apotheken, Krankenkassen usw. werden damit überflüssig, weil KIM-Nachrichten fälschungssicher und als rechtsverbindlich anerkannt sind.
  • TI-Messenger: Der Dienst ist eine Erweiterung von KIM. Der Austausch medizinischer Daten kann damit in Echtzeit via Chat-Messenger erfolgen – ähnlich wie bei ­WhatsApp und Co., jedoch mit der notwendigen Sicher­heits-­Architektur. Auch Video-Telefonie ist möglich.
  • Elektronische Patientenakte: Seit Anfang 2021 haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf die Nutzung einer elektronischen Patientenakte, die die Krankenkassen als App bereitstellen müssen. Die Patienten bestimmen dabei, welche medizinischen Informationen darin gespeichert werden – seien es Diagnosen und Befunde oder perspektivisch der Impfpass und das Zahnarzt-Bonusheft. Auch hier ist das Ziel, den wichtigen Informationsfluss im Gesundheitswesen zu verbessern.
  • e-Rezept: Seit Mitte 2021 in der Testphase, ab 2022 schrittweise flächendeckend kommt das elektronische Rezept für apothekenpflichtige Arzneimittel und löst das bisherige Papier-Rezept ab. Über einen QR-Code auf dem Smartphone (alternativ auch als Ausdruck) kann es in jeder Apotheke eingelöst werden.

Warum Interoperabilität gewährleistet sein muss

Eine solche datenbasierte Medizin ist jedoch abhängig von der flexiblen Nutzbarkeit medizinischer Daten, sprich der Bereitstellung und Verwendung über alle System-, Sektoren- und Landesgrenzen hinweg. Für eine funktionierende übergreifende Vernetzung der Daten braucht es daher vor allem eins: Inter­opera­bilität. Das heißt, dass der Austausch von medizinischen Daten auf anerkannten IT-Standards und gemeinsamen Schnittstellen beruhen muss. Das gilt nicht nur aus Gründen der Praktikabilität, sondern zum Beispiel auch, weil Patientinnen und Patienten ein Recht auf Datenübertragbarkeit nach der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben.

Grundsätzlich liegen die Verantwortung und die Hoheit für die Definition von (digitalen) Austauschformaten in den Sektoren mit ihren jeweiligen Körperschaften und Organisationen. Damit sind quasi mehrere Institutionen im deutschen Gesundheitswesen gesetzlich befugt und beauftragt, ihre eigenen Inter­opera­bilitäts-­Vorgaben zu definieren. Dies ist eine Besonderheit, denn in anderen Branchen wird die Standardisierung durch die Industrie in der Regel selbst organisiert, sobald sich daraus Kostensenkungen ergeben. Dieser Effekt tritt in stärker regulierten oder in Sektoren aufgeteilten Branchen wie dem Gesundheitssystem nur spät oder gar nicht ein.

Eine ­datenbasierte ­Medizin ist ­abhängig von der ­flexiblen ­Nutzbarkeit ­medizinischer Daten.

Die Folge: Bisher sind die IT-Systeme in Arztpraxen, Krankenhäusern, Apotheken, Pflegeeinrichtungen und mehr oftmals so heterogen, dass der schnelle Datenaustausch be- oder sogar verhindert wird – und somit wichtige Informationen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten nicht dort landen, wo und in welcher Form sie benötigt werden. Mit anderen Worten: Die Systeme können nicht miteinander „reden“.

Dabei liegen die Vorteile, aber auch die Notwendigkeit einer zentral koordinierten und auf Basis von verbindlichen Standards klar verorteten Zielvorstellung für Interoperabilität im Gesundheitssystem klar auf der Hand:

  • mehr Sicherheit für Patientinnen und Patienten durch verfügbare und nutzbare Daten – die Basis für bessere Informationen für Diagnose und Behandlung,
  • Entlastung für alle Heilberuflerinnen und Heilberufler durch digital unterstütztes Teamwork, bessere Koordination, mehr Kooperation und letztlich mehr Zeit für Medizin,
  • positive wirtschaftliche Effekte für das Gesundheitssystem, weil es weniger redundante Systeme, Medienbrüche und Insel­lösungen gibt,
  • mehr Freiheit, da die grenzüberschreitende medizinische Versorgung für Patientinnen und Patienten möglich wird,
  • mehr Wettbewerbsfähigkeit für den Standort Deutschland, da Krankheiten keine nationalen Grenzen kennen und die medizinische Forschung international ist,
  • mehr Datenqualität und Nutzen in der medizinischen Versorgung und Forschung, da standardbasierte strukturierte Daten und Schnittstellen die Verfügbarkeit und Interaktion erhöhen.

gematik ist die Koordinierungsstelle für Interoperabilität

Hier kommt nun die gematik ins Spiel, die eben nicht nur Infrastruktur-Anbieter ist, sondern auch an der Entwicklung und Durchsetzung einheitlicher Standards und damit an der Sicherstellung eines interoperablen Datenaustauschs federführend mitwirkt – und das mit gesetzlichem Auftrag. Seit Kurzem übernimmt die gematik als nationale „Koordinierungsstelle für Interoperabilität“ im Gesundheitswesen die Aufgabe, sektoren- und akteursübergreifend das Expertenwissen verschiedener Institutionen und Personen zur Standardisierung an einem neutralen „runden Tisch“ zusammenzubringen. Die Zuständigkeit dafür hat die gematik seit Oktober 2021 durch die „Gesundheits-IT-Interoperabilitäts-Governance-Verordnung“ (GIGV). Für das deutsche Gesundheitswesen ist dies ein wichtiger Schritt, um die Förderung von Standards und Interoperabilität ganzheitlich und kooperativ anzugehen. Mit anderen Worten: Die Vielfalt an Zuständigkeiten wird kanalisiert, um zu gemeinsamen Standards zu kommen.

Die gematik gewährleistet in diesem Prozess die notwendige Gesamtperspektive und stellt sicher, dass alle Akteure ausgewogen beteiligt und ihre Interessen berücksichtigt werden. Nur durch diese neutrale Stelle als „Moderator und Concierge“ ist es möglich, die Beteiligten aus Wissenschaft, Versorgung, Industrie und Forschung entlang einer klaren Roadmap und mit verbindlichen Leitplanken für alle zusammenzubringen und für eine Nachhaltigkeit der gemeinsam erzielten Ergebnisse zu sorgen.

Ein Expertengremium entscheidet über den verbindlichen Einsatz von Standards, Profilen und Leitfäden.

Und so funktioniert es: Ein Expertengremium prüft, wo es noch Brüche im Austausch von Gesundheitsdaten in Deutschland gibt und mit welchen Standards, Profilen und Leitfäden diese geschlossen werden können. Zudem entscheidet das Gremium über den verbindlichen Einsatz dieser Standards, Profile und Leitfäden. Unterstützt wird das Expertengremium von weiteren Expertinnen und Experten in Arbeitskreisen. Bereits existierende und international anerkannte Standards, Profile und Leitfäden haben Vorrang vor neu zu entwickelnden oder gar Eigenentwicklungen einzelner Akteure. Für die zielgerichtete Analyse und Erarbeitung von Empfehlungen wird ein transparenter Beteiligungsmodus entwickelt, um das notwendige Standardisierungs-Expertenwissen einbinden zu können. Im Ergebnis sollen so verbindliche Empfehlungen für ein interoperables Gesundheitssystem in Deutschland entstehen – interdisziplinär und konsensbasiert entwickelt.

Dabei gibt es zwei Kernprozesse:

  • Schaffen verbindlicher Interoperabilitätsvereinbarungen: In etablierten Verfahren, zum Beispiel innerhalb von Standardisierungs-Organisationen, werden IT-Standards erarbeitet und im Anschluss durch das Expertengremium zu verbindlichen Vereinbarungen gemacht.
  • Anerkennung als interoperable Anwendung: Bei der Entwicklung von e-­Health-Anwendungen werden von Beginn an die relevanten Interoperabilitäts-Vereinbarungen berücksichtigt, sodass die Anwendungen anschließend als interoperable Anwendungen anerkannt werden.

Ergänzend dazu wird das bisherige Interopera­bilitäts-Verzeichnis der gematik – „vesta“ – zu einer Wissens-Management-Plattform für Interoperabilität weiterentwickelt. Auf der Plattform werden unter anderem aktuelle Informationen zur Arbeit des Expertengremiums, der Arbeitskreise sowie Standards und Empfehlungen veröffentlicht. Die Plattform soll als natio­naler „First Point of Contact“ für Fragen rund um die Themen Standardisierung im Gesundheitswesen dienen. Damit gibt es künftig eine konkrete Orientierungshilfe im deutschen Digital-­Health-Markt für Anwender, Hersteller und Fachexperten. Darüber hinaus wird die Plattform auch in Englisch betrieben, sodass verstärkt auch internationales Fachwissen eingebunden und die grenzüberschreitende Übermittlung und Verwendung interoperabler Gesundheitsdaten gefördert werden können.

Ein ­Gesundheitssektor, der ganz besonders der Interoperabilität von Daten bedarf, ist das ­Krankenhaus.

Besonders wichtig: Interoperabilität in Krankenhäusern

Ein Gesundheitssektor, der ganz besonders der Interoperabilität von Daten bedarf, ist das Krankenhaus. Man stelle sich zunächst folgendes Szenario vor: Eine ältere Patientin wird in die Notaufnahme eingeliefert. Sie ist bewusstlos, sodass sie keine Auskunft geben kann. Angehörige stehen nicht für Fragen zum Gesundheitszustand zur Verfügung. Die Patientin hat jedoch ihre Gesundheitskarte im Portemonnaie dabei. Darüber können die Ärzte sofort die wichtigsten medizinischen Daten über sie abrufen. Der Notfall-Datensatz auf der Karte enthält entscheidende Informationen: Vorerkrankungen, Allergien, regelmäßig eingenommene Medikamente, aber auch Notfallkontakte und die Kontaktdaten der Hausärztin. Auch Angaben zu einer Patientenverfügung sind auf der Karte hinterlegt. Das Wichtigste jedoch: Die Patientin hat zuvor der Speicherung dieser Daten auf der Karte durch ihre Hausärztin zugestimmt. Jetzt profitiert sie davon, denn für ihre Erstversorgung sind die Notfalldaten eine entscheidende Hilfestellung für die behandelnden Ärzte, vielleicht sogar lebensrettend.

Im weiteren Verlauf – die Patientin ist inzwischen auf Normalstation, die Entlassung steht kurz bevor – stimmen sich die Klinikärzte mit der Hausärztin über die (Weiter-)Behandlung ab. Hierfür nutzen sie einen sicheren E-Mail-Dienst oder einen Chat-Messenger. Die Haus­ärztin kennt die Patientin seit Jahren und kann so auf kurzem Weg wichtige Fragen zu ihrer chronischen Erkrankung beantworten. Die Klinikärzte wiederum übermitteln ihr die Untersuchungsbefunde und den Entlassbrief. Die gesamte Kommunikation verläuft elektronisch und verschlüsselt. Die neu einzunehmenden Medikamente erfassen die Ärzte im elektronischen Medikationsplan der Patientin. Bei der Entlassung erhält die Tochter der Patientin ein elektronisches Rezept direkt auf ihr Smart­phone. Das Rezept kann sie in jeder Apotheke einlösen und ihrer Mutter die benötigten Arzneimittel später nach Hause bringen.

Digitale Vernetzung ist keinesfalls Realität in deutschen Kliniken.

Was nach einer digitalen Vernetzung ganz im Interesse der Patientin klingt, ist jedoch keinesfalls Realität in deutschen Kliniken – obwohl nirgendwo sonst im Gesundheitswesen täglich mehr Menschen gleichzeitig aufgenommen, untersucht, behandelt, versorgt und entlassen werden. Hinzu kommt: In Krankenhäusern sind die Patientinnen und Patienten in der Regel nur für kurze Zeit und meist für spezielle Maßnahmen. Es fehlt die Bindung wie beim Hausarzt, der seine Patienten im besten Fall seit Jahren kennt und kontinuierlich medizinisch begleitet. Gleichzeitig werden aber gerade im Krankenhaus entscheidende Weichen bei der Gesundheitsversorgung gestellt. So werden zum Beispiel oftmals im Zuge einer Operation Rundum-Untersuchungen der Patientinnen und Patienten vorgenommen und damit viele wichtige medizinische Daten erfasst. Damit diese Daten für weitere Diagnosen und Behandlungen nicht verloren gehen oder woanders keine unnötigen Doppeluntersuchungen anfallen, braucht es ebenfalls die intelligente digitale Vernetzung im Gesundheitswesen und einheitliche Schnittstellen und Standards.

Der Weg dorthin ist mittlerweile bereitet: einerseits mit dem verpflichtenden Anschluss auch der Krankenhäuser an die Telematik-Infrastruktur, andererseits mit verpflichtender Interope­ra­bilität auch in den Kliniken. Denn die gematik wurde vom Gesetzgeber beauftragt, Standards für Schnittstellen in Krankenhäusern zu definieren und die Umsetzung zu prüfen. Seit Mitte 2021 dürfen die Kliniken (mit einer Übergangsfrist von 24 Monaten) nur noch von der gematik bestätigte informationstechnische Systeme im Krankenhaus (ISiK) einsetzen. Mit diesen einheitlichen Standards wird nicht nur der Datenaustausch innerhalb der Kliniken erleichtert – noch viel wichtiger: Auch Sektorengrenzen können damit künftig überwunden werden, sodass das oben beschriebene Szenario eher früher als später Realität werden kann.

Die elektronische Patientenakte als „Hafen“ für wichtige Dokumente

Neben dem Setting Krankenhaus lohnt zudem der Blick auf eine neue, zentrale digitale Anwendung der Telematik-Infrastruktur: die elektronische Patientenakte (ePA). Sie bezeugt die Notwendigkeit von Interoperabilität auf ganz besondere Weise – gerade bei Personen, die durch eine chronische Erkrankung regelmäßig Medikamente einnehmen, Haus- und Fachärzte aufsuchen sowie wichtige Untersuchungen durchführen lassen müssen. Vor allem der Besuch unterschiedlicher Mediziner und unterschiedlichen medizinischen Fachpersonals führt zu einer Vielzahl an Erkenntnissen, die für die weiterbehandelnden Heilberufler von großer Bedeutung sind. Damit diese Informationen vorliegen, sind Ärzte jedoch bis dato darauf angewiesen (gewesen), dass ihre Patienten zum einen im Besitz ihrer medizinischen Dokumentation sind und sie zum anderen diese mitgebracht haben. Ist dies nicht der Fall, müssen diese Informationen zeitaufwendig beschafft werden, etwa durch E-Mails oder Telefonate. So ist es bisher die Regel.

An diesem Punkt bietet die ePA eine komfortable und sichere Lösung, die Informations- und Kommunikationslücken im Sinne der bestmöglichen Gesundheitsversorgung des Patienten schließt. Die elektronische Patientenakte ermöglicht eine übergreifende Sicht auf alle Gesundheitsdaten sowie die Möglichkeit, relevante Informationen im Behandlungskontext zu teilen. Seit dem 1. Januar 2021 haben alle gesetzlich Versicherten Anspruch auf eine ePA, die als freiwillige und kostenfreie Anwendung durch die gesetzlichen Krankenkassen angeboten werden muss. Für die Versicherten ist die ePA interessant, weil sie damit einen zentralen digitalen Ort erhalten, an dem sie ihre Gesundheitsinformationen wie Diagnosen, Befunde, Allergien und Medikationspläne ablegen, dabei aber selbst entscheiden können, welche Daten hinterlegt werden und welche Ärzte und weiteren Heilberufler Zugriff darauf erhalten.

Für die Ärzte, Zahnärzte oder Psychotherapeuten ergibt sich der klare Nutzen daraus, dass sie – sofern der Patient die Daten freigegeben hat – im Rahmen einer Behandlung jederzeit auf Befunde, Laborergebnisse, Medikationen usw. zugreifen können. Denn für den Behandlungserfolg ist es maßgeblich, dass die wichtigsten Informationen schnell für eine bestmögliche Behandlung auffindbar sind, da offene Fragen durch die so vorliegenden Zusatzinformationen geklärt werden können. Daten, die für den Behandlungskontext relevant sind, können darüber in die Primärdokumentation des Arztes, das Praxisverwaltungssystem, übernommen werden.

Die ePA bietet ­eine ­komfortable und ­sichere Lösung, die ­Informations- und Kommunikations­lücken schließt.

Das Besondere an der elektronischen Patientenakte ist, dass auch sie auf den Spezifikationen der gematik und somit auf internationalen technischen Standards aufsetzt. Das heißt, dass sämtliche Schnittstellen standardisiert sind, also übergreifend nutzbar – unabhängig davon, bei welcher gesetzlichen Krankenkasse die Patientinnen und Patienten versichert sind. Hieraus ergibt sich wiederum, dass die ePA deutschlandweit über die verschiedenen Gesundheitssektoren hinweg und einrichtungsübergreifend genutzt werden kann – wobei die Krankenkasse keinen Einblick in die medizinischen Daten erhält, sondern lediglich ihrerseits ihrer/ihrem Versicherten Informationen in der Akte bereitstellen kann. So eröffnet die ePA zahlreiche neue Möglichkeiten in der Gesundheitsversorgung. Richtig eingesetzt, kann sie zu einer verbesserten Arzt-Patienten-Kommunikation beitragen, die die Behandlungsqualität aufgrund einer gestiegenen Informationslage deutlich erhöht und die Menge an unnötigen Doppelbehandlungen minimiert. Der interoperable Datenaustausch legt die Basis für diesen Erfolg.

Fazit: Was will die gematik erreichen?

Klar ist: Die Zukunft der Gesundheitsversorgung liegt im vernetzten Zugriff auf die für die Behandlung relevanten medizinischen Daten der Patientinnen und Patienten. Bedingung dafür sind technische Lösungen, die die hochsensiblen Daten der Versicherten sicher schützen und gleichzeitig den Datenaustausch so einfach wie möglich machen.

Das Ziel der gematik ist es, den sektorenübergreifenden Dialog so zu gestalten, dass alle Beteiligten zu gemeinsamen verpflichtenden Standards finden, die die medizinischen und wissenschaftlichen Potenziale des Datenaustauschs maximal ausschöpfen. Entscheidend dabei wird es sein, die bereits durch den Gesetzgeber beauftragten Institutionen, Initiativen der öffentlichen Hand und privaten Organisationen sowie Projekte aus der klinischen Forschung, die sich ebenfalls mit der Spezifikation von Interoperabilitäts-Aspekten befassen, wirkungsvoll zu integrieren. Als Koordinierungsstelle für Interoperabilität im deutschen Gesundheitswesen wird die gematik insbesondere auch Fachexpertinnen und Fachexperten einbinden, um die erste nationale Roadmap für Interoperabilität aufzustellen und weiterzuentwickeln. Hierzu braucht es eine funktionierende Arbeitsstruktur und die Vernetzung der verschiedenen Bedarfe und Fachkenntnisse. Das alles will und wird die gematik leisten.

Im Ergebnis sollen verbindliche Interoperabilitäts-Festlegungen entstehen, die verlässliche Leitplanken für Anbieter und Anwender bereitstellen, um dem aktuellen Digitalisierungsschub im Gesundheitswesen weiter Auftrieb zu geben. Über den nationalen Rahmen hinaus wird es zudem unsere Aufgabe sein, die Vernetzung mit ausländischen Partnern und europäischen National Digital Health Agencies auszubauen. Denn auch der grenzüberschreitende Austausch medizinischer Daten wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Die gematik will, dass ­alle Beteiligten zu ­gemeinsamen verpflichtenden Standards finden, die die medizi­nischen und wissenschaftlichen ­Potenziale des Datenaustauschs maximal ausschöpfen.

Da Prozesse, Organisationen, Regularien, vor allem aber Technologien einem kontinuierlichen und zunehmend schnelleren Wandel unterworfen sind, handelt es sich jedoch um eine nie abgeschlossene Aufgabe für die gematik. Das gilt insbesondere für ein digitales Gesundheitswesen der Zukunft, das sehr wahrscheinlich mit einer hohen Entwicklungsgeschwindigkeit Schritt halten muss. Die gematik sowie ihre Unterstützungsangebote und Vorgaben müssen diesem Umstand Rechnung tragen und gemeinsam mit den Beteiligten weiterentwickelt werden. Dazu gehört auch, Innovationen und internationale Trends sowie die damit verbundenen Möglichkeiten zu beobachten. Das Ergebnis müssen eine „lebende“ Roadmap und eine anpassungsfähige Strategie für die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen sein.


Literatur:

  1. gematik: Die elektronische Patientenakte (ePA). https://www.gematik.de/anwendungen/
    e-patientenakte (Zugriff: 18.02.2022)
  2. gematik: Interoperabilität dank ISiK. https://­fachportal.gematik.de/informationen-fuer/isik (Zugriff: 18.02.2022)
  3. gematik: Interoperabilität 2.0 auf Basis der Gesundheits-IT-Interoperabilitäts-Governance-­Verordnung (GIGV). https://www.gematik.de/
    ueber-uns/gesetzliche-grundlagen (Zugriff: 18.02.2022)
  4. gematik: Interoperabilität 2.0: Rolle der gematik und Relaunch von vesta. https://www.­vesta-gematik.de/fileadmin/user_upload/­Redaktionelle_Inhalte/IOP_20/gematik_Flyer_IOP_2.0_web_202010.pdf (Zugriff: 18.02.2022)
  5. gematik: Kompetenzzentrum für das digitale deutsche Gesundheitswesen. https://www.­gematik.de/ueber-uns (Zugriff: 18.02.2022)

Autor:

Dr. Markus Leyck Dieken
gematik GmbH, Friedrichstraße 136, 10117 Berlin