Katarina Braune, Lutz Heinemann

Innovative Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung / Diabetestechnologie

Einleitung

Die aktuelle COVID-19-Pandemie stellt natürlich keine technische Innovation dar, sie hat aber die Hinwendung zur Nutzung von technologischen Optionen bei der Betreuung von Patienten mit Diabetes (PmD) massiv verstärkt. Dies wird dazu führen, dass mehr Geld in diesen Bereich investiert wird, was wiederum die Entwicklungsgeschwindigkeit im Bereich der Digitalisierung und Diabetestechnologie (DT) weiter erhöhen wird. Ein aktueller Trend (der uns vermutlich erhalten bleibt) ist einer Verbesserung der Betreuung von PmD in der Zeit zwischen den Arztvisiten, das Stichwort ist „virtuelle Diabetesbetreuung“. Wenn es gelingt die Daten aus verschiedenen Quellen im Sinne eines „Diabetes-Ökosystems“ zusammenzuführen, dann kann der PmD quasi ständig konkrete Hinweise zu seinem Status und möglicherweise notwendigen Therapieanpassungen bekommen. Dies sollte die Diabetestherapie im Alltag sicherer und auch besser machen, d.h. die Glukosekontrolle wird insgesamt stabiler mit weniger ausgeprägten Schwankungen in der Glykämie nach unten und oben. Die Verwendung eines Systems zum kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM) liefert Aussagen zur Güte der Glukosekontrolle als Zeit im Zielbereich (Time-in-Range; TiR) sowie zu der Zeit unterhalb (TbR) oder oberhalb (TaR) des Zielbereiches. Vermutlich wird solch eine Alltagsbegleitung durch digitale Tools dazu führen, dass viele Standardsituationen gut und sogar automatisch gehandhabt werden. Es werden aber immer Situationen bleiben, in denen der PmD selber aktiv werden muss, wie bei extremen sportlichen Belastungen, ungewöhnlichen Mahlzeiten oder im Krankheitsfalle. Dies wird auch dazu führen, dass selbst wenn ein PmD seltener zu einer Visite in die Praxis kommen muss, der Bedarf an einer Betreuung durch den Diabetologen und das Diabetes-Team bleibt. Bei den Visiten können sich diese gemeinsam entsprechend aufbereiten Daten zu Diabetestherapie anschauen und Schlüsse daraus ziehen. Wer dies für ferne Zukunftsmusik hält, sollte sich überlegen, in welchem Ausmaß sich in den letzten Jahren die Diabetestherapie geändert hat und wie hoch der Veränderungsdruck hierbei aus unterschiedlichen Gründen heraus ist.


Diagnostische Optionen – BGSM

Stand der Dinge: Obwohl der Markt für die der Blutglukoseselbstmessung (BGSM) immer noch ein Volumen von vielen Hundert Millionen Euro pro Jahr aufweist und viele PmD diese Option täglich einsetzen, etabliert sich das CGM in zunehmenden Ausmaß als Standard, insbesondere bei PmD mit Typ-1, aber auch bei den PmD mit Typ-2 steigt dieser Anteil deutlich. Die dadurch möglichen größeren Stückzahlen bei der Herstellung von CGM-Systemen sowie der hohe Konkurrenzdruck führen dazu, dass die Kosten für die Nutzung von CGM-Systemen sich zunehmend denen der BGSM annähern, bei einem wesentlichen Mehr an Informationen und Absicherung, z.B. bei akuten Glukoseschwankungen.

Innovative Ansätze: Bei BGMS gibt es eher wenige wirklich neue Ansätze, auch weil die Hersteller hier kaum noch investieren. Der Trend zu einer „smarten“ Nutzung der bei der BGSM anfallenden Daten und deren Kombination mit Daten aus anderen Quellen (z.B. Bewegungsdaten die vom Smart Phone erfasst werden) ist deutlich, ermöglicht dies doch eine weitere Verbesserung des Diabetesmanagements bei einem überschaubaren Aufwand.

Was gilt es zu tun? Der angesprochene verstärkte Einsatz von digitalen Tools bei der BGSM bietet einiges an Optimierungspotential bei moderaten Kosten, was insbesondere bei PmD mit Typ-2 sinnvoll genutzt werden kann, die nicht mit Insulin behandelt werden.


Diagnostische Optionen – CGM

Stand der Dinge: Bei allen aktuellen Generationen der schon am Markt etablierten CGM-Systeme werden die Glukosemesswerte automatisch an ein Empfangsgerät übertragen, dies ist heute meistens eine App im Smart Phone. In Deutschland gibt es nun schon seit einer Reihe von Jahren eine Kostenerstattung für real-time CGM-Systeme bei PmD mit Typ-1 durch die gesetzlichen Krankenversicherungen. Die dritte Generation eines CGM-Systems welches bisher einen Scan verlangte, d.h. eine aktive Handlung des Nutzers, übermittelt nun auch die Daten per Bluetooth direkt an das Smart Phone. Diese Weiterentwicklung wird den Markterfolg dieses Systems weiter unterstützten, auch wegen dessen vergleichsweise günstigen Kosten. Unberührt bleibt hierbei allerdings die Müllproblematik, d.h. der Anfall von großen Mengen an Plastikabfall bei der Nutzung von CGM-Systemen, ein Fakt der die PmD zunehmend stört. Auch im Zusammenhang mit entsprechenden europäischen Verordnungen zur Reduktion von Plastikmüll gilt es hier neue Wege zu gehen. CGM-Systeme stellen einen zentralen Baustein von Systemen für eine automatisierte Insulindosierung (AID-Systeme) dar, dabei wird ein CGM-System mit einer Insulinpumpe so gekoppelt, dass ein Algorithmus basierend auf den CGM-Daten die aktuelle Insulininfusion geeignet anpasst.

Innovative Ansätze: Es gibt neben drei großen Anbietern von CGM-Systemen (Abbott, Dexcom und Medtronic) eine Reihe von anderen mehr oder weniger großen Herstellern, die entweder ebenfalls Nadelsensoren für die Glukosemessung entwickeln (und damit vergleichbar mit den etablierten Systemen sind) oder mit neuartigen Ansätzen versuchen die Nachteile der bisherigen CGM-Systeme zu vermeiden. Zu beachten ist dabei, das die Entwicklung von solchen Systemen schon eine beachtliche Investition darstellt, die erfolgreiche Etablierung eines neuen Produktes am Markt aber eine weitere massive Herausforderung ist. Hier haben Newcomer nur dann eine Chance, wenn das Produkt wirkliche Vorteile bietet. Dabei gibt es gute Beispiele dafür, dass dies immer noch möglich ist.

Die Hersteller der etablierten CGM-Systeme bringen in relativ kurzen Zeitabständen neue Generationen ihrer Systeme auf den Markt, um diese Produkte im Sinne einer evolutionären Weiterentwicklung fortwährend attraktiver zu machen. Üblicherweise weist jede neue Geräte-Generation eine bessere analytische Messgüte auf, zumindest wird dies durch einen niedrigeren „MARD“-Wert vermittelt. Ob sich allerdings die eigentliche Messtechnik signifikant verbessert, oder ob nur die Algorithmen in den CGM-Systemen optimiert werden sowie die Herstellungstechniken, ist nicht einfach zu beurteilen. So wird durch Hinzufügung von weiteren Membranen auf der Oberfläche der Elektroden die in das subkutane Fettgewebe zur Glukosemessung eingestochen werden, eine Reduktion der Empfindlichkeit von Sensoren auf bestimmte Substanzen (z.B. Paracetamol) reduziert, unerwünschte Interferenzen können so weitgehend vermieden werden. Vergleichsweise wenig hat sich in den letzten Jahren bei der Weiterentwicklung der Software-Programme getan, die von den PmD (und dem Diabetes-Team) für die Auswertung und Interpretation der CGM-Daten genutzt werden. Ebenfalls wenig tut sich beim Thema „Non-invasive glucose monitoring“, auch in diesem Jahr hat es hierbei keinen wirklichen Durchbruch gegeben, es gibt keine Produkte auf dem Markt, auch wenn es welche gibt, die eine CE-Markierung erhalten haben. Es gibt aber nun Produkte, die auf anderen Messprinzipien beruhen, die verfügbar sind und nicht mehr mit einem Durchstehen der Haut verknüpft sind.

Im Zusammenhang mit der intensiven Nutzung von CGM-Systemen kann es zu Hautreizungen kommen, diese können von diskreten Hautrötungen bis hin zu ausgeprägten und für die PmD sehr störenden allergischen Reaktionen gehen. In diesem Fall können die PmD nicht nur das jeweilige CGM-System nicht mehr nutzen, es kann auch dazu führen, dass andere Medizinprodukte, der Pflaster oder Kunststoffgehäuse die Allergie auslösenden Substanzen enthalten, auch nicht mehr genutzt werden können, z.B. Insulinpumpen. Zur Einstufung von solchen Hautreizungen hat die AGDT eine Checkliste entwickelt (s. AGDT-Homepage). Hauptverursacher der allergischen Reaktionen sind bestimmte Acrylate, diese sind bzw. waren in den Pflastern und den Kunststoffgehäusen der Glukosesensoren der CGM-Systeme enthalten. Durch die Verwendung von Kunststoffen, die diese Acrylate nicht mehr enthalten, konnte bei einem CGM-System die Problematik von Hautreaktionen massiv reduziert werden. Dafür hat eine Veränderung bei der Pflasterzusammensetzung bei einem anderen CGM-System zu Hautirritationen bei diversen PmD geführt.

Was gilt es zu tun? Es ist schwierig die analytische Leistungsfähigkeit der CGM-Systeme verschiedener Hersteller im Vergleich zu beurteilen, da es immer noch keinen Standard für die Evaluierung von deren Messgüte gibt. Die Bemühungen einer internationalen Arbeitsgruppe von Experten dazu sind leider noch in den Anfängen. Durch Einführung einer „i“-Markierung hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA einen wichtigen Schritt in Richtung Standardisierung getan; sie hat unter anderem konkrete Vorgaben für die Messgüte gemacht, die ein solches System erfüllen muss – bislang haben nur zwei CGM-Systeme solch ein Siegel bekommen.

In der klinischen Praxis etabliert sich anscheinend zunehmend der TiR für die Beurteilung der Güte der Glukosekontrolle. Es ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion ob dies ein zusätzlicher Parameter zum HbA1c-Wert in diesem Zusammenhang ist oder ein eigenständiger.

Im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie sind in den USA die regulatorischen Vorgaben für die Nutzung von CGM-Systemen im Krankenhaus deutlich gelockert worden, dort dürfen sie zur Verlaufskontrolle nun eingesetzt werden. Dies reduziert nicht nur den Aufwand für das Pflegepersonal wesentlich (wenn sie erstmal gelernt haben mit CGM-Systemen umzugehen), es ermöglicht auch eine bessere und sicherere Überwachung der Glukosekontrolle von stationären Patienten mit COVID. In Deutschland dürfen allerdings nur qualitätsgesicherte Methoden zur Glukosemessung in Krankenhäusern eingesetzt werden, d.h. BGSM und nicht CGM. Da aber zunehmend PmD mit CGM-Systemen ins Krankenhaus kommen, führt dies in der Realität zunehmen zu Problemen. Weiterhin machen die Vorteile, die CGM-Systeme für die Betreuung von kranken Menschen aufweisen, deren Einsatz auch in diesem Bereich sinnvoll.


Therapeutische Optionen – Pens / Smart Pens

Stand der Dinge: Der überwiegende Anteil von PmD verwendet heute Insulinpens für die Applikation des Basal- und des Bolus-Insulins. Mit den heute üblichen dünnen Nadeln ist die Insulininjektion in den meisten Fällen praktisch schmerzfrei.

Innovative Ansätze: Was bisher fehlte, war die Anbindung der Pens an das digitale Zeitalter, wichtige Hinweise zur Realität der Insulintherapie mussten immer noch händisch von den PmD erfasst werden, z.B. wann wurde welches Insulin in welcher Dosis appliziert? Nun sind die ersten „Smart Pens“ von den großen Insulinherstellern (Novo, Lilly und Sanofi) auf den Markt. Die aktuell erfolgte Übernahme eines US-Herstellers eines Smart Pens (Companion Medical) durch den Hersteller von CGM-Systemen und Insulinpumpen (Medtronic) zeigt, auch andere Firmen wollen in diesem Markt aktiv werden.

Die Erfassung der Informationen zur Insulindosis, -sorte und Injektionszeitpunkt, gepaart mit Glukose-Daten und einer passenden Titrationssoftware (auch in Form von Apps im Zusammenhang mit DiGAs) ist ein attraktiver Markt für die Insulin-Hersteller und wesentlich günstiger und weniger riskant als die Entwicklung von neuen Insulinen. Die Verfügbarkeit von mehr Daten zur Insulintherapie hilft auch beim Erkennen von Fehlern bei der Diabetestherapie und adäquater Anpassung der Therapie. Die Bedeutung dieser Entwicklung ist durchaus als erheblich anzusehen, hilft sich doch hoffentlich vielen Patienten bei einer nachhaltigen Verbesserung ihrer Glukosekontrolle.

Die technologischen Ansätze bei den Smart Pens sind recht unterschiedlich, von aufsetzbaren Kappen oder Clips bis hin zu wiederverwendbaren eigenen Entwicklungen mit fest eingebauter Konnektivität gibt es verschiedene Optionen. Es gibt allerdings bisher nur wenige Publikationen zu Smart Pens, es fehlen z.B. Aussagen dazu, wie gut die Messung der noch im Insulinreservoir verbleibenden Insulinmenge de facto wirklich ist.

Was gilt es zu tun? Es gibt bisher zu wenige Belege für die Vorteile von Smart Pens durch geeignet angelegte klinische Studien mit einem direkt vergleichenden Studiendesign zu konventionellen Pens.


Therapeutische Optionen – Insulinpumpen / Patch-Pumps

Stand der Dinge: Insulinpumpen sind neben den CGM-Systeme die zentralen Säulen von AID-Systemen. Die meisten konventionellen Insulinpumpen weisen heutzutage eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Kopplung mit CGM-Systemen auf. Die US-Firma Tandem ist neu mit seinen Produkten auf den deutschen Markt, es bleibt abzuwarten, ob die Akzeptanz bei deutschen PmD ebenso so hoch sein wird wie in den USA. Es ist interessant zu sehen, welche Verschiebungen es auf dem Insulinpumpenmarkt in den letzten Jahren gegeben hat.

Bei den sogenannten Patch-Pumpen ist das Infusionsset in der Pumpe integriert und damit nicht sichtbar. Patch-Pumps sind deutlich kleiner und unauffälliger, sie können auch an mehr Stellen am Körper angebracht werden. Sie sind ferner einfacher in der Nutzung und der Einstich der Nadel in das Gewebe erfolgt meistens automatisch. Dass sie einfacher zu nutzen und diskreter sind sowie nicht mehr nach einem Medizinprodukt aussehen, sind wichtige Faktoren für PmD. Der Herstellungsaufwand und damit die Kosten sind bei Patch-Pumpen nicht unerheblich, sie konkurrieren eher mit Insulinpens / Smart Pens als mit konventionellen Insulinpumpen.

Bisher ist in Deutschland nur eine Patch-Pumpe verfügbar, sie wird insbesondere von Patienten genutzt, die vorher keine konventionelle Insulinpumpe verwendet haben. Nun kommen weitere Patch-Pumpen auf den Markt. Aktuell scheinen >30% aller Pumpennutzer Patch-Pumpen zu verwenden, mit deutlich ansteigender Tendenz.

Innovative Ansätze: Die Verfügbarkeit von höher konzentrierten Insulinformulierungen ermöglicht die Konstruktion von anders ausgebildeten Insulinreservoirs, die eine Nutzung der Patch-Pumps über diverse Tage hinweg ermöglichen. Allerdings steigt dabei die Anforderung an die Genauigkeit der Insulininfusion und die Stabilität der Insulinformulierung.

Was gilt es zu tun? Bei Patch-Pumpen gibt es bisher erstaunlich wenige klinische Studien und Publikationen, d.h. es gibt wenig Evidenz zu deren Nutzung. Auch bei Patch-Pumpen sind Hautirritationen ein Thema, welches in geeigneten Evaluierungen untersucht werden sollte.


Therapeutische Optionen – Insulininfusionssets

Stand der Dinge: Es gibt immer noch eine Reihe von Fragestellungen bei der Insulinabsorption aus dem Depot an der Spitze der Nadel des Insulininfusionssets im subkutanen Gewebe, insbesondere dazu, wie sich die Absorptionseigenschaften des Insulins in Abhängigkeit von der Nutzungsdauer verändern. Weiterhin gibt es immer noch Unsicherheiten darüber, wie gut oder schlecht die Insulinabsorption ist, wenn die Nadel des Infusionssets in Hautareale mit Lipohypertrophien eingestochen wird, es gibt gute Untersuchung dazu, wie ausgeprägt dies bei subkutanen Injektionen von Bedeutung ist, z.B. bei der Abdeckung des prandialen Insulinbedarfes.

Innovative Ansätze: Eine Option zur Erkennung von Insulininfusionssets, die nicht mehr geeignet funktionieren, kann die Analyse von CGM-Daten sein, hier wird z.B. Künstliche Intelligenz eingesetzt, die die CGM-Profile über die Tage hinweg analysiert. Es kommt über die Zeit hinweg zu Veränderungen in der Insulinabsorption im subkutanen Fettgewebe, die zu signifikanten Änderungen im Glukoseverlauf führen. Der Nutzer bekommt dann Hinweise zum Wechsel des Insulininfusionssets.

Ein wichtiger Trend ist die Entwicklung von Infusionssets die länger nutzbar sein sollen, idealerweise ebenso so lange wie CGM-Systeme, d.h. 10 bis 14 Tage. Dabei wären schon Infusionssets die über 7 Tage hinweg nutzbar sind, ein deutlicher Fortschritt, der auch zu einer Reduktion der nicht unerheblichen Kosten für Infusionssets beitragen könnte. Die ersten solcher Sets scheinen nun Marktreife zu haben.

Von den verschiedenen Ansätzen, das Insulin durch sogenannte „Microneedles“ direkt in die oberen Hautschichten zu applizieren, hat noch keines eine Produktreife erreicht. Dies gilt auch für die sogenannten „Smart Insuline“, die als Depot in das subkutane Gewebe appliziert werden und dort entsprechend der vorherrschenden Glukosekonzentration freigesetzt werden.

Was gilt es zu tun? Es sollten systematische Studien mit Infusionssets initiiert werden, um die offenen Fragen zu klären, z.B. zu den Unterschieden in der Nutzungsdauer von Kathetern aus Stahl vs. Teflon. Weiterhin wäre es interessant zu wissen, warum es zu erheblichen interindividuellen Unterschieden in der Nutzungsdauer von Infusionssets zwischen Patienten gibt.


Systeme zur Automatisierten Insulin-Dosierung (AID)

Stand der Dinge: Parallel zur Nutzung von kommerziellen AID-Systemen (z.B. der 670G von Medtronic, USA und dem DBGL1 von Diabeloop, Frankreich) gibt es eine kleine, aber deutlich wachsende Gruppe von PmD mit T1D die sich AID-Systeme selber bauen. Mit Hilfe von „Bauanleitungen“ aus dem Internet können sie sich ihr persönliches „DIY -„Do-it-yourself“-AID-System bauen. „Looper“ erreichen eine beachtlich gute Glukosekontrolle mit solchen Systemen, allerdings kennen sie sich üblicherweise ausgesprochen gut mit ihrem Diabetes aus und wissen, wie sie die verwendeten Algorithmen optimieren können. PmD können solche DIY AID-Systeme auf eigenes Risiko bei sich selber nutzen, da aber die verwendeten Medizinprodukte, wie das CGM-System und die Insulinpumpe, nicht entsprechend den Vorgaben der Hersteller für deren Zulassung benutzt werden, müssen die Hersteller für diese keine Haftung mehr übernehmen. In der Hand von erfahrenen und technikinteressierten PmD stellen DIY AID-Systeme eine interessante Alternative dar, aber nicht für die Mehrzahl von PmD. Solche Systeme stellen keine „App“ dar, die man sich einfach herunterlädt und schon kann man den Diabetes vergessen.

Dabei gilt dies auch für die kommerziellen AID-Systeme, auch bei diesen ist es nicht so, dass allein durch die Nutzung eines AID-Systems alles automatisch geht und der PmD seinen Diabetes de facto vergessen kann. Ein in der Nutzung des AID-Systems gut geschulter PmD kann aber durchaus „Urlaub“ von seinem Diabetes machen, zumindest über weiter Strecken des Tages. Die Bedeutung der Schulung wurde gerade auch in den USA wohl unterschätzt, viele Nutzer des 670G-Systems sind damit (zumindest initial) nicht gut zu Recht gekommen. Der Handhabungsaufwand bei diesem AID-System war (ist?) nicht unerheblich, die mehrfach täglich notwendigen Kalibrationen und die vielen akustischen Hinweise (Alarme und Hypo-Warnungen) habe viele PmD genervt, aber auch deren Angehörige.

Bisher decken AID-Systeme nur den basalen Insulinbedarf ab, die Insulininfusion wird fortlaufend auf Grundlage der von einem CGM-System gemessenen Glukosewerte angepasst. Den prandialen Insulinbedarf müssen die PmD durch Abrufen von Insulinboli manuell abdecken. Deshalb werden die bisherigen AID-Systeme als Hybrid-AID-Systeme bezeichnet.

Innovative Ansätze: Eine ganze Reihe von weiteren AID-Systemen sind in der klinischen Entwicklung und werden in den nächsten Jahren auf den Markt kommen. Das 780G-AID-System von Medtronic soll 2021 verfügbar sein, dieses gibt automatisch Korrekturboli ab, Die Nachfolgegenerationen sollen dann auch den Insulinbedarf bei Mahlzeiten automatisch abdecken. Wann und ob die sogenannten „bi-hormonellen“ Ansätze auf den Markt kommen ist nicht wirklich klar, bei diesen AID-Systemen wird nicht nur Insulin infundiert, sondern auch Glucagon. Durch Gabe dieses „Gegenspielers“ von Insulin kann bei Gabe von zu hohen Insulindosen oder zu niedrigen Glukosewerten, eine drohende Hypoglykämie vermieden werden. Es sind nun zwar die ersten Glucagon-Formulierungen verfügbar, in denen das Glucagon stabil bleibt, ob sich der zusätzliche Aufwand dafür (und für die notwendige zweite Pumpeinheit) wirklich lohnt, ist noch nicht wirklich geklärt.

Durch den Einsatz von AID-Systemen ist keine „technische Heilung“ des Diabetes möglich, der PmD muss sich allerdings damit wesentlich weniger um seine Insulintherapie kümmern. Er kann ein weitgehend normales Leben führen, ohne Angst vor akuten Glukoseentgleisungen haben zu müssen. Durch eine bessere Glukosekontrolle sollte auch das Risiko von diabetesbedingten Folgeerkrankungen sinken. Neben solchen eher medizinischen Aspekten gilt es auch die ausgeprägten positiven psychologischen Aspekte für die PmD und deren Angehörige zu sehen, die mit dem Einsatz von AID-Systeme verbunden sind.

Was gilt es zu tun? Leider ist es nicht gelungen ein AID-Register in Deutschland aufzubauen, um darin regelmäßig definierte Parametern zu erfassen, die fundierte Aussagen zur Güte der Glukosekontrolle sowie von Sicherheitsaspekten ermöglicht hätte. Die Fachgesellschaft hat sich in Zusammenarbeit mit der AGDT sehr darum bemüht, die Gesundheitspolitik war im Endeffekt aber nicht bereit, den dafür notwendigen Aufwand zu honorieren. Auswertungen eines solchen Registers hätten auch Hinweise dazu liefern können, bei welchen Patientengruppen AID-Systeme am sinnvollsten eingesetzt werden.


Elektronische Patientenakten

Stand der Dinge: In Deutschland wird es ab dem 1.1.2021 eine elektronische Patienten-Akte (ePA) geben. Die Diabetes-Fachgesellschaft arbeitet an der Entwicklung einer diabeteskompatiblen Ergänzung dazu, der elektronischen Diabetesakte (eDA). Darin sollen die Daten von möglichst allen PmD erfasst werden. Es gilt abzuwarten, wie sich die eDA in der Praxis etablieren wird. In dem deutschen Register für Kinder und Jugendliche mit Diabetes (DPV) werden Daten zu praktisch allen solchen Patienten gesammelt. Durch die regelmäßige Analyse und Publikation dieser Daten wird die Bedeutung von solchen Datenbanken deutlich.

Innovative Ansätze: In den USA sind elektronische Patientenakten heute ein Teil des Behandlungsalltages; entsprechend gibt es regelmäßig Publikationen zu Datenauswertungen der gesammelten Datengebirge. In Deutschland werden die Daten von Hundertausenden von PmD in den Disease Management Programmen (DMPs) zwar im großen Stil erfasst, insbesondere aus Datenschutzgründen gibt es aber eher wenige Auswertungen und Publikationen dazu.

Was gilt es zu tun? Wenn die eDA kommt, wird es spannend sein zu sehen, wie sich diese etabliert und was die Auswertungen der darüber aggregierten Daten an praxisrelevanten Aussagen liefern.


Digitalisierung / Telemedizin

Stand der Dinge: Bei der Behandlung von PmD fallen eine Menge an Daten an, Diabetes wird deshalb auch als „Datenmangementerkrankung“ bezeichnet. Es wird zukünftig vorrangig darum gehen, durch eine smarte Analyse der vorliegenden Daten sowohl den Diabetologen („Clinical Decision Support Systems“; CDSS) wie auch den PmD („Patient Decision Support Systems“, PDSS) geeignet zu unterstützen. Neben den Glukoseprofilen geht es um die Nutzung von weiteren Daten, z.B. zu Körpergewicht, Essverhalten, körperlicher Aktivität und anderer medikamentöser Therapie bei dem individuellen PmD. Dabei werden die Daten aus den verschiedenen Geräten automatisch und ohne aktives Zutun des PmD oder Arztes in die Cloud hochgeladen, an entsprechenden, sicheren Stellen gespeichert und mit entsprechenden Algorithmen analysiert. Vor dem Hintergrund von Datenbanken mit den Daten von vielen anderen PmD und entsprechenden Leitlinien kommt dann Künstliche Intelligenz zum Einsatz, um Muster in den Glukoseverläufen erkennen und konkrete Vorschläge für Therapieanpassungen machen. PmD nutzen Apps in ihren Smart Phones, um sich Unterstützung z.B. bei der Bolus-Berechnung bei einer Mahlzeit zu holen.

Innovative Ansätze: Gerade in der aktuellen Situation wurde die Bedeutung der telemedizinischen Betreuung von PmD sehr deutlich. War es bisher der Betreuung von PmD die eine lange Anfahrt zu dem behandelnden Arzt vermeiden wollen oder durch Erkrankungen nicht mehr mobil sind, war es bei dem Lock down die einzige Option für eine ausreichende Betreuungsintensität. Die massiven Aktivitäten von großen Hardware- und Softwarekonzernen macht klar, die Telemedizin stellt eine attraktive Option für die Betreuung von PmD dar. Entsprechende Änderungen bei gesetzlichen Regelungen hat es schon gegeben, wenn nun die Honorierung solche Betreuungsansätze nachgezogen wird, wird dies zukünftig eine starke Säule bei der Betreuung von PmD sein.

Was gilt es zu tun? Kein Diabetologe kann die Menge an neuen Informationen, die in diesem Forschungsbereich pro Tag veröffentlicht wird, noch überblicken. Nur durch den Einsatz von entsprechenden Analysesystemen ist es möglich, die relevanten Informationen zu finden und so zu analysieren, dass sie bei der Diabetestherapie eines gegebenen PmD genutzt werden können. Wenn die Fachgesellschaft und deren Fachleute bei der Interpretation solcher Informationen adäquat beteiligt wird, ist sichergestellt, dass medizinische Aspekte im Vordergrund stehen und keine anderen.


Zukunft

Durch den Einsatz von digitalen Tools und moderner Diabetes-Technologie (z.B. AID-Systemen) gestaltet sich die Diabetestherapie nicht nur bei PmD mit T1D zunehmend einfacher, auch bei der Betreuung von PmD mit Typ 2 wird durch die virtuelle Diabetes-Betreuung zwischen den Visiten eine Optimierung der Behandlung möglich. Da praktisch täglich über neue Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und Technologie bei der Diabetestherapie berichtet wird, stehen wir eher am Beginn dieses Trends. Die Diabetologie ist bei neuen technischen Entwicklungen – auch getrieben von der Gesundheitspolitik – nun federführend dabei. Es gilt, die Balance zwischen der zügigen Implementierung von „echten“ Innovationen versus der überhasteten Nutzung von Scheininnovationen zu finden, dies ruft nach kritischer Begleitung durch die Fachgesellschaft.


Autoren:

Katharina Braune1, Lutz Heinemann2
1Charite, Berlin
2Science & Co, Geulenstr. 50, 41462 Neuss