Kathrin Boehm, Angelika Deml

Zukunft der Diabetesberatung und -schulung

Online-Patientenschulungen, virtuelle Fort- und Weiterbildungen …: Im Jahr 2020 nahm die Digitalisierung volle Fahrt auf – mit allen Vor- und Nachteilen. Welche Besonderheiten gelten bei der Anwendung digitaler Beratungs- und Schulungsangebote?

Aktuelle Situation COVID-19 – welche digitalen Herausforderungen treffen die Diabetesfachkräfte?

Diabetesverbände fordern: Videoschulungen für Menschen mit Diabetes müssen dauerhaft Kassenleistung werden [Deutsche Diabetes Gesellschaft 2020] – infolgedessen wird der aktuelle Stand dieser bedeutenden Entwicklung berichtet.

Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 8. April 2020 hatte Ausnahmeregelungen für Schulungen und Dokumentationen aufgrund der COVID-19-Pandemie erlassen [Gemeinsamer Bundesausschuss 2020]. Die Corona-Pandemie hat die Diabeteswelt in Kliniken und Praxen mit voller Wucht getroffen, zeitweise sogar lahmgelegt. Die Berufsverbände, die Fachgesellschaften und die Patientenorganisationen kritisierten diesen Eilbeschluss im Rahmen von Stellungnahmen und Pressemitteilungen [Deutsche Diabetes Gesellschaft 2020].
Das Deutsche Ärzteblatt [Hollstein 2020] wies zwar zunächst darauf hin, dass Patienten mit Diabetes mellitus und guter Blutzuckereinstellung ein vergleichbares SARS-CoV-2-Infektionsrisiko haben wie Gesunde. Jedoch wurde während der Pandemie schnell klar, dass bestimmte Personengruppen ein besonders hohes Risiko haben, an COVID-19 zu erkranken. Nach neuesten Erkenntnissen gelten hohes Alter, männliches Geschlecht, Übergewicht, Blut­hochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und insbesondere das Vorhandensein eines Diabetes mellitus als Risikofaktoren. Somit waren die Diabetesteams gefordert, nach digitalen Lösungen zu suchen.

Die Digitalisierung nahm volle Fahrt auf: Videosprechstunden, Online-Patientenschulungen (dafür gab es keine explizite Regelung im G-BA-Beschluss) sowie virtuelle Fort- und Weiterbildungen mussten schnellstmöglich realisiert werden.

Welche neuen digitalen Kompetenzen benötigen Diabetesfachkräfte in der Zukunft?

Während die Skeptiker noch dachten, dass sich der Aufwand von Online-Formaten für diese „Phase“ nicht lohne, waren viele der Diabetesfachkräfte davon überzeugt, dass COVID-19 dauerhaft die Kommunikationswege ­innerhalb der Diabetesberatungs- und Schulungs­landschaft sowie im Fort- und Weiterbildungsbereich verändert.

Auch Peter Kronsbein [Kronsbein 2020] äußert in einem Artikel, dass Videoschulungen im Bereich der Dia­betologie in den Vordergrund des Interesses rücken sollen. Arbeitstreffen, Besprechungen und Fortbildungen wurden schnell über unterschiedliche Tools als „Video-Meeting“ durchgeführt. Viele empfanden die Zeitersparnis durch wegfallende Anreisezeiten als sehr positiv. Warum sollte man nicht Ähnliches für die Patientenschulung und Patientenberatung anbieten? Es gelten in Deutschland verschiedene bundesländerspezifische, pandemiebedingte Übergangsregelungen im Rahmen des DMP Diabetes mellitus, beispielsweise zu Beratungs­gesprächen. Diese vertragliche Grundlage bringt auch die Chance mit sich, digitale Diabetesberatung und Videogruppenschulung anzubieten, um eine erweiterte Form der Betreuung zu ermöglichen. Die Corona-Krise schränkt nach wie vor die Möglichkeiten der Schulungs- und Beratungsangebote ein. Seitens der ­versorgenden ­Diabetesbehandlungseinrichtungen können einzuhaltende Hygienerichtlinien, die beispielsweise räumliche Begrenzungen mit sich bringen, das Schulungsangebot vor Ort limitieren (Abstandseinhaltungen bewirken eine eingeschränkte Teilnehmeranzahl). Auf der Seite der Patienten mit Diabetes mellitus kann die Angst vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus das Aufsuchen diabetologischer Betreuung hinauszögern oder gar verhindern.

Regelmäßig veröffentlichte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Listen zu zertifizierten Videodienstanbietern [Kassenärztliche Bundesvereinigung 2020]. Eher zögerlich begannen einige Praxen, Diabetesschulungen darüber anzubieten. Sehr schnell wurde klar, dass die Präsenzschulung nicht eins zu eins auf ein virtuelles Format umgesetzt werden kann. Online-Schulung bedeutet nicht nur, die Inhalte in Form von Powerpoint-Präsentationen zu zeigen. Vielmehr benötigt man für eine positive Gruppendynamik unterschiedliche Aktivierungsmethoden. Die Dia­betesfachkräfte benötigen in diesem Zusammenhang erweiterte digitale Kompetenzen.

Sehr schnell wurde klar, dass die Präsenzschulung nicht eins zu eins auf ein virtuelles Format umgesetzt werden kann.

Nicht nur die Diabetesfachkräfte mussten andere Wege für die Beratung und Schulung von Menschen mit Diabetes mellitus finden, sondern auch die Weiterbildungseinrichtungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft waren gefordert, die laufenden Kurse für Diabetesberater, Diabetesassistenten und Diabetologen zeit- und regelkonform abzuschließen. Den ausgewählten Referenten wurde bewusst, dass es äußerst anspruchsvoll ist, über einen Zeitraum von 60 bis 90 Minuten Teilnehmer erfolgreich zu aktivieren. Die Teilnehmer dagegen konnten Erfahrungen sammeln, was es bedeutet, sich für diesen Zeitraum auf den Bildschirm zu konzentrieren. Rasch kam der Wunsch seitens der Referenten und auch der Weiterbildungsteilnehmer auf, dass es zukünftig zusätzliche Trainer-Seminare und einen Leitfaden für die Umsetzung von Online-Schulungen geben muss.

Besonderheiten bei der Anwendung digitaler Beratungs- und Schulungs­angebote

  1. Diabetesteams müssen einschätzen können, wann ein Patient mit einer konkreten Problemstellung über den digitalen Weg betreut werden kann und wann die direkte Betreuung vor Ort notwendig ist. Dafür sollte eine Strategie entwickelt werden mit genauer Benennung von Situationen, die aus dem Alltag der Patientenversorgung bekannt sind. Es sollten auch Kriterien für die Auswahl geeigneter Patientenzielgruppen für digitale diabetologische Betreuungsangebote definiert werden (Alter, Vorhandensein technischer Ausstattung, Technikbegeisterung etc.).
  2. Patienten und Praxen benötigen die technischen Voraussetzungen wie PC oder Laptop mit Kamera, Mikrofon, ggf. ein Headset, um Nebengeräusche zu minimieren. Ebenso benötigen sie ein stabiles Internet mit ausreichender Bandbreite sowie die Sicherstellung eines geschützten störungsfreien Bereiches während der virtuellen Kontakte.
  3. Die Patienten benötigen zu Beginn von digitalen Gruppenschulungen und Beratungen Unterstützung bei der Einrichtung der erforderlichen Technik und Einführung in den digitalen Raum. Dieser zeitliche Mehraufwand muss berücksichtigt und den Praxen zusätzlich honoriert werden.
  4. Die von den KVen zugelassenen Videoanbieter halten Formate bereit, bei denen virtuelle Räume mit den Auswahlmöglichkeiten unterschiedlich sind. Um den passenden Raum auszuwählen, ist ein Grundverständnis der technischen Werkzeuge nötig.
  5. Als Diabetesfachkraft sollte man sich in der Pflicht sehen, den virtuellen Raum sicher steuern zu können, um Beratungs- und Schulungsprozesse professionell zu begleiten und die Aufmerksamkeit der Patienten zu erhalten.
  1. Technikprobleme können Stress auslösen. Umso bedeutsamer ist es, als Diabetesfachkraft Souveränität und Gelassenheit auszustrahlen und technische Lösungsmöglichkeiten zu kennen.
  2. Bei Gruppenschulungen kann Gruppen­dynamik anhand entsprechender Aktivierungsmethoden durch die Diabetesfachkraft gefördert werden.
  3. Die Qualität der Videoübertragung hängt von der individuellen Bandbreite der teilnehmenden Patienten ab. Des Problems, dass immer wieder vorkommende Schwankungen sich negativ auf die Qualität der Kommunikation auswirken, muss man sich bewusst sein.
  4. Nebengeräusche und Umgebungsgeräusche können durch das Stummschalten der teilnehmenden Personen minimiert werden, beispielsweise wenn gerade fachliche Inhalte gezeigt werden.
  5. Die Beratungs- und Schulungskraft sollte auf einen passenden Bildausschnitt mit einer ruhigen, professionellen und wenig ablenkenden Hintergrundgestaltung achten. Ein dezentes Erscheinungsbild mit der Auswahl „ruhiger“ Kleidung ist empfehlenswert.
  6. Maßgeblich ist es, eine Position zu wählen, die einen zentralen Blick in die Kamera ermöglicht, damit eine gute Beziehung mit den Teilnehmern aufgebaut werden kann.
  7. Genauso wie im analogen Beratungs- und Schulungsalltag sollte man alles griffbereit vorbereitet haben, um in Ruhe und mit ­Gelassenheit souveräne Beratungen und Schulungen zu gestalten. Dafür empfiehlt es sich, 15 Minuten vor dem Start im digitalen Raum zu sein, um einen Start mit bewusstem Einnehmen der Rolle zu haben. Auch langsames und deutliches Sprechen mit geplanten Pausen wirkt sich angenehm auf die teilnehmenden Personen aus. Eine Mimik mit Lächeln und Nicken unterstreicht die digitale Kommunikation.

Methodenkompetenz

Wichtiger als der perfekte Technikeinsatz ist ein guter Beziehungsaufbau zu Beginn einer Schulung. Der virtuelle Schulungsraum kann genauso einladend gestaltet werden wie die Räume in der Klinik oder Praxis. Ein Flipchart-Plakat als Hintergrundbild mit „Herzlich willkommen“ schafft positive Emotionen und sorgt beim nächsten Termin für einen Wiedererkennungswert [Dundler 2019]. Pausen lassen sich für ein gemeinsames „virtuelles“ Kaffeetrinken nutzen, zu dem jede/r Patient/in seinen Snack in die Kamera hält und man gemeinsam KE-Mengen schätzt. Prinzipiell haben alle Beteiligten die Möglichkeit, Gegenstände vor die Kamera zu halten, um z. B. gemeinsam eine Insulinpen-Funktion zu üben. Für die eigentliche Schulung kann ­neben den Schulungsfolien jedes weitere Format in der Ansicht mit den Patienten geteilt werden. Es lassen sich darüber auch Videos und Musik abspielen. Eine Whiteboard-­Funktion ermöglicht, analog der Präsenzschulung die Aussagen von Schulungsteilnehmern festzuhalten oder Inhalte Schritt für Schritt zu erarbeiten. Das Tafelbild kann interaktiv erarbeitet, gespeichert und zum nächsten Schulungs­termin wieder genutzt werden. Manchmal fällt es den Teilnehmern schwer, per Video mit anderen Personen zu diskutieren. Hier ist eine anonyme Umfrage (Funktion analog einer TED-Abfrage), bei der die Teilnehmer die Antworten nur anklicken, hilfreich. Das sichtbare Ergebnis der Meinungsumfrage fördert erneut deren Aufmerksamkeit. Künftig sollten Diabetesfachkräfte Live-Online-Kompetenz durch das Erwerben des Wissens um „Virtual-Classroom-Didaktik“ entwickeln.

Zusammenfassung der technischen Möglichkeiten im virtuellen Beratungs- und Schulungsraum

Im virtuellen Raum befindet man sich in einem gemeinsamen Raum im Web. Es wird synchron gearbeitet, dies ermöglicht die gleichzeitige Kommunikation mehrerer Teilnehmer und bietet unterstützend verschiedene Werkzeuge, die für Interaktionen zwischen Diabetesfachkraft und Patientin/Patient hilfreich sind:

  • Webcam-Funktionen für gegenseitige Sichtbarkeit
  • Whiteboard mit Zeichenwerkzeugen, die den Patienten zum Festhalten ihrer Beiträge zugeteilt werden können
  • auswählbare Symbole, um Zustimmung und Emotionen äußern zu können
  • Umfragewerkzeuge für Meinungsabfragen
  • Präsentationswerkzeuge zum Anzeigen von vorbereiteten Schulungsinhalten und Bildmaterial oder
  • Arbeitsblättern
  • Chatfunktionen zur internen Kommunikation
  • Application Sharing zum Teilen jeglicher Dateiformate und gemeinsamen Bearbeiten von Unterlagen

Exemplarisches Vorgehen und Tipps für das Durchführen einer digitalen Schulungseinheit

Zuerst muss durchdacht werden, welche Schulungs- und Beratungsthemen nur im direkten Austausch mit anderen Teilnehmern und der Dia­betesfachkraft gelingen und zielgerecht sind.

Wie bei den Vorbereitungen einer analogen Dia­betesschulung ist eine gute Planung für eine digitale Schulungsmaßnahme das A und O für eine professionelle Umsetzung.

Zu Beginn einer virtuellen Schulung oder Beratung steht die Frage der sinnvollen Gliederung von Themen, sodass die Lernziele bestmöglich erreicht werden können. Nachfolgend finden sich Ideen und Inspirationen für das Vorgehen, um eine digitale Schulungseinheit zu organisieren und umzusetzen.

Erfahrungsgemäß verspüren die Patienten Gespanntheit, Unsicherheit und Bedenken bezüglich ihrer digitalen Schulungsteilnahme. Die Gründe dafür sind vielfältig: Angst vor der Technik, lange zurückliegende Lernerfahrungen usw.

Deshalb wird an dieser Stelle sehr darauf geachtet, durch richtiges Handeln den Patienten (Teilnehmern) entgegenzukommen und ihnen Sicherheit zu vermitteln. Es ist bedeutungsvoll, einen bestmöglichen Beziehungsaufbau zu erzielen, um Unsicherheiten und Ängste seitens der Teilnehmer einzudämmen.

Gerade zu Beginn einer virtuellen Schulung braucht es Methoden, die den Schulungsteilnehmern die Möglichkeit bieten, sich näher kennenzulernen. Dafür steht eine Reihe effektiver Werkzeuge zur Verfügung, um das Eis zu brechen und die Aufmerksamkeit im virtuellen Raum zu behalten.

Gerade zu Beginn einer virtuellen Schulung braucht es Methoden, die den Schulungsteilnehmern die Möglichkeit bieten, sich näher kennenzulernen.

Es gilt, die bereits erwähnten technischen, funktionalen und datenschutzrechtlichen Aspekte vor dem Start einer Online-Schulung oder -Beratung zu beachten: Auswahl eines von der Kassenärztlichen Vereinigung bewilligten Videoanbieters, Einwilligung für die Verarbeitung der Patientendaten für die Videoschulung und Datenschutzerklärung. Dann erfolgt die Auswahl eines geeigneten Themas und eines DDG-anerkannten Schulungsprogrammes. Besonders eignen sich die Zusatzmodule von ­PRIMAS zu einer detaillierten Schulung für spezifische Patienten, die sich mehr Informationen zum ­jeweiligen Thema wünschen und sich intensiver damit auseinandersetzen wollen (Dia­betes und Sport, Ernährung, Soziales, Partnerschaft, Reisen). Diese Themen könnten nach einer Präsenz-­PRIMAS-Basisschulung virtuell angeboten werden. Die Erstellung eines Schulungsleitfadens mit einer Beschreibung, wie die Schulung digital gestaltet wird, ist zu empfehlen. Der zeitliche und inhaltliche Umfang muss beschrieben werden. Dabei ist die Formulierung von Lernzielen auch beim digitalen Setting hilfreich. Die digitalen Schulungsmedien und -methoden müssen geplant werden. Konkret bedeutet das, welches technische Mittel für welche Art der Problemstellung am besten genutzt wird. Es sollte durchdacht werden, wie eine wirkungsvolle Präsentation der Themenauswahl gelingen kann. Die Auswahl technischer Anwendungen fördert die Interaktion zwischen den Teilnehmern. Ein professioneller Abschluss im virtuellen Raum wie auch die Nachbereitung mit Bereitstellung von schriftlichen Unterlagen gehören zu einem erfolgreichen Online-Meeting dazu.

Auswahl des PRIMAS-­Zusatzmoduls „Diabetes und Sport“ [Kulzer 2014] mit dem Beispiel der praktischen Umsetzung:

Geplant ist ein asynchrones Verfahren mit der Bereitstellung schriftlicher Unterlagen für die Teilnehmer per E-Mail im Vorfeld (Einwilligung, Informationsschreiben, Einladung zur Videoschulung). Synchron erfolgt ein Live-Onlineseminar mit dem Einsatz fünf verschiedener Methoden im digitalen Schulungsraum, der Zeitumfang beträgt 90 Minuten. Nach der Schulungseinheit bekommen die Teilnehmer das Sporttagebuch und Checklisten per E-Mail zugestellt.

Folgender Methoden- und Medienmix wird angewandt:

  • digitaler Check, ob alle Teilnehmer die Schulungskraft sehen und hören können
  • Einführung in den digitalen Schulungsraum – Förderung einer angenehmen Atmosphäre
  • Vorstellung der Schulungsziele und -inhalte
  • Vorstellung aller Teilnehmer anhand einer ausgesuchten Methode
  • Umfrage mit Fragen und Antwortmöglichkeiten:
    a) Wie viel Erfahrung hast Du bereits zum Thema Diabetes und Sport? – keine; wenig; ich bin erfahren
    b) Wie sind Deine Erfahrungen zum Thema Sport? – positiv; gemischt; negativ
    c) Wie schätzt Du die Bedeutung von regelmäßigem Sport zur Therapieunterstützung ein? – gering; mittelmäßig; hoch
    d) Wenn Du an Deinen Lieblingssport denkst …
    … hast Du öfters Bedenken, diesen auszuüben.
    … freust Du Dich immer wieder aufs Neue.
    … bist Du motiviert, regelmäßig Sport zu machen.
    … weißt Du, dass dieser einflussreich für deine Gesundheit ist.
    … verspürst Du Angst vor Unterzuckerungen.
  • Aufzeigen und Erläutern der Schulungs­inhalte durch das Teilen des Bildschirms
  • Einspielen eines passenden Videos (z. B. aus TheraKey Typ-1-Diabetes)
  • Wissensevaluation anhand einer Umfrage

Exemplarisches Vorgehen und Tipps für eine digitale Diabetesberatung [Dundler 2019] im Einzelsetting

Das Vorgehen bei einer digitalen problem­zentrierten Diabetesberatung kann im Sinne von „Hilfe zur Selbsthilfe“ mit diesen ­Grundsätzen gestaltet werden:

  • Grundhaltung: wertschätzende und vertrauensvolle Beziehung
  • klares strukturiertes Vorgehen in der Beratung
  • „starke Fragen“ als Anstoß zum Denken einbringen
  • der/die Patient/in entscheidet

Die digitale Transformation polarisiert – für die einen steht sie für Fortschritt, Unabhängigkeit und Freiheit, für die anderen für den Verlust von Kommunikation und Emotionen.

Ideen zur Umsetzung:

  • mit „starken“ Fragen die aktuelle Situation klären:
    – „Wo liegt das Problem/Was führt zum Problem?“
    – „Wollen Sie die aktuelle Situation bitte erzählen?“
    – „Was sind die bisherigen Überlegungen?“
  • Genau zuhören und nachfragen; Lösungsphase herbeiführen, Patient/in und Diabetesfachkraft bringen gemeinsam Ideen ein:
    – Was wären mögliche Lösungen?
    – Wie wurden ähnliche Situationen erfolgreich bewältigt?
  • der/die Patient/in entscheidet über die nächsten Schritte:
    – Was ist das Ergebnis?
    – Was sind die nächsten Schritte? – Aktionsplan und Ziele festlegen

Neue Chancen – durch digitale Maßnahmen die Patientenversorgung erweitern

Die digitale Transformation polarisiert – für die einen steht sie für Fortschritt, Unabhängigkeit und Freiheit, für die anderen für den Verlust von Kommunikation und Emotionen. Für die Umsetzung einer erfolgreichen digitalen Transformation müssen die Skeptiker sich lösen von überholten analogen Glaubenssätzen [Matusiewicz 2017], z. B. dass eine gute Kommunikation nur „Face to ­Face“ gelingt. Im Gegenzug müssen die ­„Digital Natives“ berücksichtigen, dass die Patientin/der Patient und nicht die Technik im Mittelpunkt unserer Bemühungen steht.

Hervorzuheben ist, dass gerade im virtuellen Kontakt ein Mehr an Empathie benötigt wird. In der digitalen Welt müssen die gleichen Wertvorstellungen und Regeln gelten. Zudem sind konzeptionelle Veränderungen im Bereich der Diabe­tesschulung und Diabetesberatung notwendig, um ergänzende Online-Angebote zu Präsenztrainings anzubieten.

Der Digitalisierungstrend ist Neuland, jedoch sollte dieser aktiv durch Diabetesfachkräfte genutzt werden.

Der Digitalisierungstrend ist Neuland für viele Beteiligte, jedoch sollte dieser aktiv durch Dia­betesfachkräfte genutzt werden, um im Bereich der Betreuung von Menschen mit Diabetes mehr Flexibilität und Modernität zu gewinnen. Diese neuen Erfahrungen müssen bei einer kritischen Betrachtung der Vor- und Nachteile digitaler Schulungs- und Beratungsangebote für Menschen mit Diabetes mellitus einfließen. Schließlich kann Diabetesbetreuung auf diesem Wege schnell, kostengünstig, flexibel, virenfrei und klimaschonend organisiert werden.

Gerade Diabetesfachkräfte können sich zu Experten für effiziente Gestaltung und Durchführung digitaler Diabetesschulungen und Diabetesberatungen entwickeln und die Herausforderung der steten Veränderungen einer sich wandelnden Welt annehmen.

Die Diabetesversorgung der Zukunft fordert eine Kombination der Systeme. Online- und Präsenzveranstaltungen müssen dabei als Synergie funktionieren. Es gilt, die Vorteile der Online-­Möglichkeiten zu nutzen, wenngleich eine enge Patientenbindung nur durch den direkten Kontakt mit den Patienten möglich ist. Somit kann selbst ein sehr gutes Online-Angebot das Präsenztraining mit echten menschlichen Begegnungen niemals ersetzen. Es wird klar herausgestellt, dass digitale Formate im Bereich der Diabetesbetreuung nicht als Ersatz, sondern nur als Ergänzung konventioneller Kommunikationsformen gelten.


Literatur:

  1. Deutsche Diabetes Gesellschaft: Erste Ergebnisse zur Online-Schulung bei Diabetes: Diabetesverbände fordern: Videoschulungen für Menschen mit Diabetes müssen dauerhaft Kassenleistung werden. Pressemitteilung vom 21.07.2020
  2. Gemeinsamer Bundesausschuss: DMP-Anforderungen-Richtlinie: Ausnahmeregelungen für Schulungen und Dokumentationen aufgrund der ­COVID-19-Pandemie. ­Beschlussdatum: 27.03.2020, Inkrafttreten: 08.04.2020, Beschluss veröffentlicht: BAnz AT 07.04.2020 B4
  3. Hollstein T: Erhöhtes Sterberisiko: COVID-19 und Diabetes – eine unheilige Allianz. Dtsch Arztebl 2020; 117(26): A-1321 / B-1123
  4. Kronsbein P, Kuniß N: Strukturierte Diabetesschulung. Diabetologie 2020; 15: 287 – 304
    Kassenärztliche Bundesvereinigung: Zertifizierte Videodienstanbieter (Stand: 19.10.2020): ­
  5. https://www.kbv.de/media/sp/Liste_zertifizierte-­Videodienstanbieter.pdf (Zugriff: 09.12.2020)
  6. Dundler S: Für Entdecker: Ihr Weg zum Online-­Coach. managerSeminare, Bonn, 2019
  7. Kulzer B, Hermanns N, Ehrmann D, Bergis-­Jurgan N, Haak T: PRIMAS Diabetes und Sport. Kirchheim, Mainz, 2014
  8. Matusiewicz D, Pittelkau C, Elmer A: Die digitale Transformation im Gesundheitswesen. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, ­Berlin, 2017

Autorinnen:

Kathrin Boehm
Diabetes-Akademie Bad Mergentheim e. V., Theodor-Klotzbücher-Straße 12, 97980 Bad Mergentheim

Angelika Deml
Katholische Akademie für Berufe im ­Gesundheits- und Sozialwesen in Bayern e. V., Ostengasse 27, 93047 Regensburg